Symbolische Synagoge bei Kiew eröffnet
14. Mai 2021An der feierlichen Eröffnung des neuen Gebetsortes nahmen auch Ministerpräsident Denis Schmygal und der Oberrabbiner der Ukraine, Moshe Reuven Azman, teil. Das hölzerne Bauwerk soll das Gedenken an eine historische Gräueltat wachhalten: Die deutschen Besatzer Kiews hatten am 29. und 30. September 1941, wenige Monate nach dem Überfall auf die Sowjetunion, mehr als 33.000 Juden in der Schlucht ermordet.
Die Einweihung der farbenfrohen Synagoge fiel mit dem ersten Gedenktag des Landes für die Ukrainer zusammen, die während des Zweiten Weltkriegs Juden gerettet hatten. Das Parlament in Kiew hatte im Februar den 14. Mai zum nationalen Gedenktag für Ukrainer erklärt, die während des Holocausts Juden gerettet haben. Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj erklärte dazu nun auf Twitter: "Die Ukraine steht auf Platz 4 in der Anzahl der Gerechten unter den Völkern mit mehr als 2500 Helden. Ihre Leistung ist ein Beispiel für Menschlichkeit und Selbstaufopferung."
Gebetsort zum Aufklappen
Die Synagoge lässt sich ähnlich wie ein Aufklapp-Bilderbuch seitlich zusammenklappen oder öffnen. Der Architekt Manuel Herz erklärte, das "Pop-up-Buch", das dreidimensional aufklappbar sei und zuvor unvorstellbare Welten eröffne, diene in gewissem Sinne als Metapher für die Synagoge. "Außerdem löst das Pop-up-Buch Faszination aus: Niemand kann der Versuchung widerstehen, diese Wunderbücher aufzuschlagen und zu erkunden", so Herz.
Die elf Meter hohe Holzkonstruktion mit Stahlgerüst im Innern ist im geschlossenen Zustand nur acht Meter breit. Der Öffnungsprozess der Synagoge solle ein kollektives Ritual sein, das von der Gemeinde per Hand und ohne Motor durchgeführt werde. Der sich entfaltende Raum, mit dem Lesepult für die Thora in der Mitte, mit seinen Bänken und dem Balkon, ist nach den Worten des Architekten "das neue Universum, das sich durch das gemeinsame Lesen des Buches geöffnet hat".
Farbenfrohe Bemalung
Die Decke ist mit einer Vielzahl von Symbolen und Ikonen bemalt, die Bezug nehmen auf zerstörte ukrainische Synagogen aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Gemeinsam bilden diese nach den Worten von Herz die Sternenkonstellation nach, die in der Nacht des 29. September 1941 über Kiew zu sehen war. Der Blick nach oben an die Decke der neuen Synagoge verbinde die Besucher damit subtil mit der Nacht, in der das Massaker begann.
Ilya Khrzhanovsky, künstlerischer Leiter der Gedenkstätte Babyn Jar, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, dass für den Bau der Synagoge nur altes Eichenholz verwendet worden sei, das in allen Regionen der Ukraine gesammelt wurde. "Es sollte ein Baum sein, der an die Welt vor dem Holocaust erinnert", so Khrzhanovsky.
In Babyn Jar erschossen deutsche Soldaten bis 1943 nach Analysen von Historikern insgesamt bis zu 100.000 Menschen, darunter fast die komplette jüdische Bevölkerung Kiews sowie sowjetische Kriegsgefangene, Sinti und Roma und andere Zivilisten. 2026 soll dort ein neues Museum eröffnet werden.
kle/uh (kna, rtr)