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Swissair am Boden

31. Oktober 2001

Gesamter Flugbetrieb eingestellt - Großbanken reagieren nicht auf Notrufe und Appelle der Regierung

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Bild: AP

Das von Swissair-Chef Mario Corti vorausgesagte Szenario des absoluten Chaos für den Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses wurde am Dienstag Realität. Die Swissair konnte schon am Morgen keinen ordentlichen Flugbetrieb gewährleisten, und um 16.15 Uhr kam das Aus. Die Fluggesellschaft entschied, dass alle Flugzeuge bis auf weiteres am Boden bleiben und die im Ausland stationierten Maschinen so schnell wie möglich zurückfliegen. Abertausende von Passagieren waren betroffen, wie die Swissair mitteilte. Rückerstattungen seien leider nicht möglich. Man warte auf das Geld einer Großbank, wurde den Tausenden von Menschen aus aller Welt per Lautsprecherdurchsage auf dem Flughafen Zürich-Kloten mitgeteilt. Aus dem Ruder lief die Situation, nachdem sich die Mineralölkonzerne geweigert hatten, der Swissair ohne Vorbezahlung noch Flugbenzin zu liefern. Die Swissair schuldet den Firmen zweistellige Millionenbeträge.

Großbanken am Pranger

Die Großbanken UBS und Credit Suisse Group (CSG) selber, die sich am Vortag noch als Retter der Schweizer Luftfahrtindustrie in Szene gesetzt hatten, waren derweil auf Tauchstation. Kein Wort war zunächst zu den Bitten der Swissair und den Appellen der Regierung zu hören. Finanzminister Kaspar Villiger gab im Bundeshaus bekannt, der Bundesrat (die Regierung) habe den Großbanken angeboten, sich fifty-fifty an einer Liquiditätsspritze von 250 Millionen Franken für einen kontinuierlichen Flugbetrieb zu beteiligen. Die Banken hätten aber bisher nicht auf das Angebot eingehen wollen. Der federführende Bankenboss, Marcel Ospel, der den Deal am Vortag präsentiert hatte, flog am Dienstag in die USA. 'Der Wirtschaftsführer fährt in der Luft, der Bundesrat geht in die Luft', stellte Bundespräsident Moritz Leuenberger sarkastisch fest.

Belgien kündigt Klage gegen Swissair an

Eine sofortige Stilllegung der Swissair-Flotte sei für die ganze Schweiz schädlich und in dieser Form nicht zu akzeptieren, sagten Leuenberger und Villiger. Ein Gesuch der Crossair, zumindest das Europa-Netz der Swissair per sofort zu übernehmen, liege vor. Ein Entscheid von Seiten des UVEK sei aber noch nicht gefallen. Der Start der neuen Schweizer Fluggesellschaft unter Federführung der Crossair sei mit den jüngsten Entwicklung stark beeinträchtigt. Die Swissair konnte am Abend keine Zusicherungen über die Wiederaufnahme des Flugbetriebs am Mittwoch machen. Man verhandle noch mit den Banken, hieß es.

Die Pleite sorgte für schwere Turbulenzen in Europas Luftfahrt. Prekär ist die Lage in Belgien, wo Swissair 49,5 Prozent an Sabena hält. Noch in dieser Woche hätte Swissair frisches Geld für die Sanierung der schwer angeschlagenen Tochterfirma zahlen sollen, kann das nun aber nicht. Die Regierung in Brüssel drohte deshalb mit einer milliardenschweren Schadensersatzklage.

Auch LTU in Nöten?

Bei der deutschen Swissair-Tochtergesellschaft LTU hat die Suche nach einem neuen Gesellschafter bereits begonnen. Der Düsseldorfer Ferienflieger LTU kann aber vorerst weiterfliegen. Die Swissair hält knapp 50 Prozent an der Düsseldorfer Fluglinie. Zweitgrösster Gesellschafter bei LTU ist der Handelskonzern RWE mit einer 40-Prozent-Beteiligung.