Suu Kyi fordert Meinungsfreiheit in Birma
14. November 2010Birmas Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi ist am Sonntag (14.11.2010) nach der Befreiung aus dem Hausarrest von tausenden jubelnden Anhängern in der Zentrale ihrer Partei in Rangun empfangen worden. "Ihr dürft nicht aufgeben", rief sie der riesigen Menge zu, die sich in und vor den Büroräumen versammelt hatte. Unter den Anwesenden waren auch Agenten des Regimes in Zivil, berichteten Augenzeugen. "Nichts kann erreicht werden, wenn die Menschen nicht einbezogen werden", sagte Suu Kyi.
Trotz ihrer jahrelangen Haft: Birmas Oppositionsführerin Suu Kyi zeigte sich bei ihrer ersten Rede seit sieben Jahren ungebrochen kämpferisch. Dabei forderte sie die Militärmachthaber zu demokratischen Reformen auf. "Grundlage der demokratischen Freiheit ist die Meinungsfreiheit", sagte sie. Demokratie sei, wenn das Volk die Regierung kontrolliert. Sie machte deutlich, dass sie mit "allen demokratischen Kräften" zusammenarbeiten werde. "Ich möchte der Stimme des Volkes Gehör verschaffen, und dann entscheiden wir über das, was wir machen wollen." Zugleich rief Suu Kyi ihre Anhänger auf, die Hoffnung auf einen Wandel in dem vom Militär abgeschotteten Land nicht aufzugeben. "Wir müssen dafür einstehen, was richtig ist", sagte sie vor dem Parteihauptquartier ihrer Nationalen Liga für Demokratie. Die 65-Jährige machte deutlich, "keinen Groll" gegenüber der Militärjunta zu hegen, die sie eingesperrt hatte. "Ich glaube an die Menschenrechte und den Rechtsstaat", sagte sie.
Ausland fordert weitere Freilassungen
Am Samstag war der gegen Suu Kyi verhängte Hausarrest zu Ende gegangen. Weltweit wurde die Freilassung der Oppositionspolitikerin begrüßt. Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich erfreut und erleichtert über die Freilassung. "Aung San Suu Kyi ist eine Symbolfigur für den weltweiten Kampf für die Verwirklichung der Menschenrechte. Ihre Gewaltlosigkeit und Unnachgiebigkeit haben sie zu einem bewunderten Vorbild werden lassen", erklärte die Bundeskanzlerin. Zugleich appellierte sie an die Machthaber in Birma, auch die weiteren, mehr als 2000 politischen Gefangenen freizulassen.
Diese Forderung stellte auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Außerdem verlangte er, Suu Kyi müsse nun "uneingeschränkte Bewegungs- und Redefreiheit" haben und "voll am politischen Prozess ihres Landes teilhaben" können. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy warnte die Militärjunta in Birma davor, die Bewegungs- und Redefreiheit der Oppositionsführerin erneut einzuschränken. US-Präsident Barack Obama würdigte Suu Kyi als Heldin.
Der britische Premierminister David Cameron nannte die Freilassung der Friedensnobelpreisträgerin durch die birmanische Militärregierung längst überfällig. Die südostasiatische Staatengemeinschaft ASEAN, deren Mitglied Birma ist, begrüßte die Freilassung Suu Kyis ebenfalls.
Symbolfigur für den Kampf gegen die Militärregierung
Suu Kyi verbrachte mehr als 15 der vergangenen 21 Jahre entweder im Gefängnis oder unter Hausarrest. Für viele ist sie ein Symbol der Bemühung, das südostasiatische Birma aus der Kontrolle der Junta, die das Land seit Jahrzehnten regiert, zu befreien. Bei den letzten Wahlen im Jahr 1990 hatte Suu Kyis Partei NLD die Wahlen haushoch gewonnen, doch die Militärführung hatte den Sieg niemals anerkannt.
Am vergangenen Sonntag fand die erste Parlamentswahl seit 20 Jahren in Birma statt. Die von der Junta unterstützte Partei "Union Solidarität und Entwicklung" (USDP) wurde zum Wahlsieger erklärt. Die USDP habe in beiden Parlamentskammern die Mehrheit erreicht, berichteten staatliche Medien am Donnerstag.
Durch ihre Inhaftierung konnte Suu Kyi nicht bei den Wahlen antreten. So hatte die NLD im Vorfeld zum Boykott aufgerufen und wurde von der Junta infolgedessen offiziell aufgelöst. Suu Kyi wolle im Falle ihrer Freilassung der NLD dabei helfen, Wahlbetrugsvorwürfen nachzugehen, sagte ihr Anwalt Nyan Win im Vorfeld der Freilassung. "Wir haben bereits ein Gremium gebildet, das alle Berichte von Unregelmäßigkeiten sammelt, die wir aus den einzelnen Wahlkreisen bekommen."
Autoren: Annamaria Sigrist/Marko Langer (dpa, afp, rtr)
Redaktion: Siegfried Scheithauer