Suu Kyi aus Hausarrest entlassen
13. November 2010"Wenn wir in Eintracht zusammenarbeiten, werden wir unser Ziel erreichen. Wir haben noch eine Menge zu tun", sagte die 65-jährige Aung San Suu Kyi nach ihrer Freilassung. Sie lud ihre Anhänger für Sonntag (14.11.2010) in das Hauptquartier ihrer Partei "Nationale Liga für Demokratie" (NLD) ein, wo sie ihre erste politische Rede seit sieben Jahren halten will.
Kurz nachdem das Militärregime am Samstag die Barrikaden vor ihrem Haus entfernt hatte, präsentierte sich Suu Kyi ihren Anhängern lächelnd und unbeugsam. Zur Feier des Tages hatte sie sich eine Blume ins Haar gesteckt. Zu Tausenden waren die Anhänger der birmanischen Oppositionsführerin gekommen. Die Menge brach immer wieder in Freudenrufe aus, skandierte: "Lang lebe Suu Kyi!" und sang die Nationalhymne.
Verschärfte Sicherheitsvorkehrungen
Der von der Militärregierung verhängte Hausarrest lief offiziell am Samstag ab. Was vorher als Gerücht kursierte, bestätigte sich: Die Militärregierung hatte die Papiere für die Entlassung der Friedensnobelpreisträgerin unterzeichnet.
Die Junta hatte auf die Versammlungen der Oppositionsanhänger mit deutlich verschärften Sicherheitsvorkehrungen in Rangun reagiert. An vielen Orten waren Lastwagen mit Bereitschaftspolizisten vorgefahren. Offiziell hatte sich die Regierung zur Freilassung Suu Kyis vorher jedoch nicht geäußert.
Ausland fordert weitere Freilassungen
Weltweit wurde die Freilassung der Oppositionspolitikerin begrüßt. Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich erfreut und erleichtert über die Freilassung. "Aung San Suu Kyi ist eine Symbolfigur für den weltweiten Kampf für die Verwirklichung der Menschenrechte. Ihre Gewaltlosigkeit und Unnachgiebigkeit haben sie zu einem bewunderten Vorbild werden lassen", erklärte die Bundeskanzlerin. Zugleich appellierte sie an die Machthaber in Birma, auch die weiteren, mehr als 2000 politischen Gefangenen freizulassen.
Diese Forderung stellte auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Außerdem verlangte er, Suu Kyi müsse nun "uneingeschränkte Bewegungs- und Redefreiheit" haben und "voll am politischen Prozess ihres Landes teilhaben" können. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy warnte die Militärjunta in Birma davor, die Bewegungs- und Redefreiheit der Oppositionsführerin erneut einzuschränken. US-Präsident Barack Obama würdigte Suu Kyi als Heldin.
Der britische Premierminister David Cameron nannte die Freilassung der Friedensnobelpreisträgerin durch die birmanische Militärregierung längst überfällig. Die südostasiatische Staatengemeinschaft ASEAN, deren Mitglied Birma ist, begrüßte die Freilassung Suu Kyis ebenfalls.
Symbolfigur für den Kampf gegen die Militärregierung
Suu Kyi verbrachte mehr als 15 der vergangenen 21 Jahre entweder im Gefängnis oder unter Hausarrest. Für viele ist die 65-Jährige ein Symbol der Bemühung, das südostasiatische Birma aus der Kontrolle der Junta, die das Land seit Jahrzehnten regiert, zu befreien. Bei den letzten Wahlen im Jahr 1990 hatte Suu Kyis Partei NLD die Wahlen haushoch gewonnen, doch die Militärführung hatte den Sieg niemals anerkannt.
Am vergangenen Sonntag fand die erste Parlamentswahl seit 20 Jahren in Birma statt. Die von der Junta unterstützte Partei "Union Solidarität und Entwicklung" (USDP) wurde zum Wahlsieger erklärt. Die USDP habe in beiden Parlamentskammern die Mehrheit erreicht, berichteten staatliche Medien am Donnerstag.
Durch ihre Inhaftierung konnte Suu Kyi nicht bei den Wahlen antreten. So hatte die NLD im Vorfeld zum Boykott aufgerufen und wurde von der Junta infolgedessen offiziell aufgelöst. Suu Kyi wolle im Falle ihrer Freilassung der NLD dabei helfen, Wahlbetrugsvorwürfen nachzugehen, sagte ihr Anwalt Nyan Win im Vorfeld der Freilassung. "Wir haben bereits ein Gremium gebildet, das alle Berichte von Unregelmäßigkeiten sammelt, die wir aus den einzelnen Wahlkreisen bekommen."
Eigentlich sollte Suu Kyis Gefangenschaft schon Ende Mai 2009 enden. Doch weil sie einen amerikanischen Eindringling, der angab, von Gott gesandt worden zu sein, zwei Tage auf ihrem Grundstück duldete, bekam sie 18 Monate zusätzlichen Hausarrest. Die bei Millionen ihrer Landsleute als "Die Dame" gefeierte Freiheitsheldin bot den Militärs trotzdem weiter die Stirn. "Das einzige Gefängnis ist die Angst", sagte sie einmal. "Und die einzige Freiheit ist die Freiheit von der Angst".
Autorin: Annamaria Sigrist (dapd, dpa, rtr, dapd)
Redaktion: Ursula Kissel