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'Sumpfhuhn' gegen 'Rüpel'

Angela Göpfert12. Februar 2007

Die verflixte Außenpolitik: Während der rechte französische Präsidentschaftskandidat Nicolas Sarkozy bei seinem Deutschlandbesuch den Staatsmann gibt, irritiert seine sozialistische Konkurrentin mit schrägen Äußerungen.

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Fotomontage mit Porträts von Ségolène Royal und Nicolas Sarkozy (Quelle: AP)
In der Außenpolitik hinkt Ségolène Royal ihrem Konkurrenten Nicolas Sarkozy hinterherBild: AP

Für Ségolène Royal, sozialistische Kandidatin für die französische Präsidentschaftswahl am 22. April, gibt es kein Halten mehr: Kaum hat sie sich aus dem einen außenpolitischen Fettnäpfchen wieder aufgerappelt, fällt sie schon ins nächste. So lobte sie die chinesische Justiz wegen ihrer zügigen Urteile, ließ einen Hisbollah-Abgeordneten in ihrer Gegenwart über Israel schimpfen und zeigte Sympathie für die Unabhängigkeitsbestrebungen der kanadischen Provinz Québec.

Vorläufiger Höhepunkt der Pannenserie: Auf die Frage eines Journalisten nach der Anzahl der französischen U-Boote mit Atomwaffen stotterte sie zunächst "eins". "Ach ja, sieben", murmelte sie, nachdem ihr der Moderator die Zahl zugeflüstert hatte. Tatsächlich verfügt die Marine über vier Atom-U-Boote.

Macho-Verschwörung oder Inkompetenz?

Für Royals Image sind diese vielen Ausrutscher verheerend. Ein Chronist der linksliberalen Zeitung "Le Monde" verglich sie mit der Comic-Figur "Bécassine", was etwa so despektierlich ist wie die deutsche Entsprechung: Sumpfhuhn. "Hält sie durch?", titelt maliziös das konservative Politmagazin "L'Express" und empfiehlt der Parti Socialiste (PS) eine Auswechslung seiner Präsidentschaftskandidatin. Auch Henrik Uterwedde, stellvertretender Direktor des Deutsch-Französischen Instituts (DFI) in Ludwigsburg, vermutet im Gespräch mit DW-WORLD.DE, Royal sei den Anforderungen der internationalen Bühne "nicht ganz gewachsen".

Ist das höchste Staatsamt für die Regionalpolitikerin und Exfamilienministerin doch eine Nummer zu groß? Oder ist sie Opfer einer von Männern dominierten Medien- und Politikerkaste, die mit allen Mitteln eine Staatspräsidentin verhindern will? Schließlich täuschen Royals Patzer darüber hinweg, dass auch Sarkozys Stärke nicht die Außenpolitik ist. Der jetzige Innenminister und Präsidentschaftskandidat der konservativen UMP hatte erst vor kurzem zwei Staatschefs verwechselt, indem er Giscard d'Estaings berühmte Aussage, die Linke beanspruche ein "Monopol des Herzens", fälschlicherweise François Mitterrand in den Mund legte. Zudem gab er sich bei seinem Besuch bei US-Präsident George W. Bush mit einem viel zu tiefen Diener der Lächerlichkeit preis.

Butterweiche Anbiederung oder Demokratie pur?

Sarkozy zeigt mit beiden Zeigefingern auf sich (Quelle: AP)
Bescheidenheit ist nicht sein Ding: Nicolas SarkozyBild: AP

Doch während die Medien genüsslich jeden Fehltritt Royals aufzählen, werden die "gaffes" von Sarkozy kaum thematisiert. Die Folge: Kaum zwei Monate vor dem ersten Wahldurchgang ist Royal in Umfragen sechs Prozentpunkte hinter ihrem konservativen Widersacher zurückgefallen. Und das obwohl sie sich besonders volksnah gibt und in einer einmaligen Kampagne der Sorgen und Nöte der Parteibasis annimmt: An die 600.000 Menschen kamen nach Angaben ihres Teams zu gut 6000 politischen Debatten in ganz Frankreich. Aus diesem Stimmungen will Royal nun ihre "synthèse" basteln.

Doch genau diese unklare Linie, dieses vermeintliche Fähnlein-nach-dem-Wind-Hängen, wird Royal nun vorgeworfen. Der namhafte Publizist Alain Duhamel monierte in dem linken Blatt "Libération", Royal setze auf "Meinungsdemokratie", um sich Popularität zu sichern. Dies bedeute aber "folgen statt voranzugehen, gefallen statt zu erklären". Auch Frankreich-Experte Uterwedde kritisiert: "Royals Problem ist, dass sie - gerade auch in der Europapolitik - nicht besonders konkret ist." In punkto Kompetenz und Konsistenz ihres außenpolitischen Programms müsse Royal in den kommenden Wochen noch deutlich zulegen.

Sarkozy pflegt Image als Macher

Dagegen bringt sich ihr Widersacher, der wortgewaltige Sarkozy, auf dem internationalen Parkett mit klaren Aussagen in Position. So reiste er denn auch zu seinem Berlin-Besuch am Montag (9.2.) bei Bundeskanzlerin und EU-Ratspräsidentin Angela Merkel mit ganz konkreten Ideen im Gepäck zur Lösung der EU-Verfassungskrise an.

Nach der Ablehnung des bisherigen Verfassungsentwurfs durch die Franzosen und Niederländer schlägt Sarkozy eine pragmatische Vorgehensweise vor: Die Verfassung solle bis auf den ersten Teil, in dem die institutionellen Reformen wie etwa das Mehrheitsprinzip aufgeführt werden, extrem gekürzt werden. Diese Mini-Verfassung, die mehr einem Vertrag ähnelt, könne dann vom Parlament ratifiziert werden, anstatt sie in einem Referendum erneut dem "unberechenbaren" französischen Volk vorlegen zu müssen.

Nicht besonders diplomatisch

Allerdings ist die staatsmännische Haltung Sarkozys ein extrem junges Phänomen: Noch bis vor kurzem bescherten ihm sein loses Mundwerk und seine oftmals nassforsche Art den Ruf eines "Rüpels": Die Vorstädte Frankreichs wollte er am liebsten "mit dem Dampfstrahler" reinigen, straffällige Jugendliche bezeichnete er als "Gesindel".

Auch seine proamerikanische Haltung könnte Sarkozy noch zur Achillesferse seines Wahlkampfes gereichen. Der Bush-Anhänger scheute sich nicht, am 11. September 2006 von New York und Washington aus die französische Politik unter seinem - geht es nach seinem Willen - künftigen Amtsvorgänger Chirac zu denunzieren. Die französische Haltung während des Irakkriegs 2003 sei ein Fehler gewesen, Paris sei "arrogant" gewesen und habe Amerika gar "erniedrigt", tönte Sarkozy damals.

Frei nach dem Motto, jeder schadet sich so gut, wie er kann, ist Frankreich-Experte Uterwedde deshalb überzeugt: "Sarkozys eigene Unrast und Spontaneität könnten ihm auf dem Weg in den Elysée-Palast noch einige Steine in den Weg legen."