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Politik

Sudan regelt Machtverteilung

5. August 2019

Protestbewegung und Militär haben sich auf eine Verfassungserklärung geeinigt. Sie soll die Demokratisierung des Landes einleiten. Doch der Weg dahin ist schwierig. Er verlangt von allen Seiten Kompromissbereitschaft.

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Sudan Abkommen - Ahmed Rabie und General Mohamed Hamdan Daglo
Einigung: Ahmed Rabie, einer der Sprecher der Protestbewegung, und der Vizevorsitzende des Militärrats, General Mohamed Hamdan Daglo, Khartoum, 4.8. 2019Bild: AFP/A. Shazly

Der Zeitplan steht: Am Sonntag einigten sich die sudanesische Demokratiebewegung und der regierende Militärrat auf eine Verfassungserklärung sowie die Bildung einer neuen Regierung. Ein umfassendes Abkommen über die neuen Machtstrukturen soll am 17. August unterzeichnet werden. Schon einen Tag später soll ein "souveräner Rat" gebildet werden, dem sechs Zivilisten und fünf Militärs angehören. Dieser soll den regierenden Militärrat ablösen und die Bildung einer neuen Regierung überwachen. Am 20. August sollen dann der Übergangsregierungschef und acht Tage später die Kabinettsmitglieder bestimmt werden.

Beide Seiten zeigten sich erleichtert über die Vereinbarung und optimistisch hinsichtlich der Zukunft des Landes. Mit dem Abkommen werde ein "neues Kapitel in der Geschichte des Sudan" aufgeschlagen, erklärte General Mohammed Hamdan Daglo, der stellvertretende Vorsitzende des Militärrats. "Wir haben die Verhandlungen als Partner begonnen und gehen als Team aus ihnen heraus. Der nationale Wille hat triumphiert. Es ist eine win-win-Situation", so Daglo, der als eigentlicher starker Mann in den Reihen des Militärs gilt. 

Keine "Demokratie ohne Frieden"

Zufrieden äußerten sich auch Vertreter der Protestbewegung. Vor allem, weil sie sich in einem Punkt durchsetzen konnten: Es werde eine "faire und transparente" Untersuchung zu den blutigen Unruhen der vergangenen Wochen geben, sagte Omar al-Dagir, einer der Anführer der Demonstranten. Allein Anfang Juni waren 136 Demonstranten bei gewaltsamen Auseinandersetzungen mit dem Militär gestorben, wenige Tage vor der nun geschlossenen Einigung wurden fünf weitere Demonstranten erschossen. "Ohne Frieden wird es keine Demokratie geben", erklärte Al-Dagir unter Anspielung auf die Todesfälle. Die gerichtliche Aufarbeitung der vom Militär ausgeübten Gewalt war ein zentraler Punkt der Verhandlungen. Dieser sei aber nun gelöst, so Ebtisam Senhouri, einer der Unterhändler der Demonstranten.

Unruhen im Sudan
Bei Unruhen im Sudan sind in den vergangenen Wochen über 130 Menschen ums Leben gekommenBild: Getty Images/A. Shazyl

Herausforderungen der Zukunft

Beim nun anstehenden Aufbau des neuen, demokratischen Sudan gelte es, alle Akteure zu berücksichtigen, heißt es in einem Kommentar der panarabischen Zeitung "Al-Quds al-araby". "Zivilherrschaft und Festigung der Demokratie erfordern die Beteiligung aller zivilen Kräfte. Ansonsten ist die Demokratie bloß die Maske eines neuen despotischen Regimes."

Zudem, so die Sudan-Expertin Annette Weber von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), komme es darauf an, dass die beiden Partner - Protestbewegung und Militärs - sich auf gemeinsame Antworten auf die großen politischen Herausforderungen einigten. "Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit, Wirtschaft: Das sind die dringendsten Punkte. Noch tun sich im Umgang mit ihnen Differenzen sowohl innerhalb des Militärrats als auch innerhalb der Zivilgesellschaft auf", so Weber im DW-Interview. Zum nun einzuschlagenden Kurs gebe es sehr unterschiedliche Einschätzungen. Doch die Klärung der noch offenen Punkte sei wesentlich, um die Demokratisierung des Landes voranzubringen.

Unruhen im Sudan | Demonstration
Auch Vertreter der Protestbewegung zeigen sich mit dem jetzt geschlossenen Abkommen zufriedenBild: picture-alliance/Xinhua/M. Khidir

Verantwortung auf beiden Seiten

Dass es dazu kommt, sei längst noch nicht ausgemacht, heißt es in einem Kommentar des Magazins "Arab weekly". "Unabhängig davon, wie sehr sich alle Seiten darum bemühen, die Verantwortung gerecht zu verteilen, wird es Punkte geben, in denen man sich nicht wird einigen können und die entsprechend schwer zu kontrollieren sein dürften. Das wird es erschweren, Ruhe und Stabilität aufrecht zu erhalten."

Der Erfolg der lange Zeit überaus zähen Verhandlungen, so "Arab weekly" weiter, sei ganz wesentlich der Vermittlung ausländischer Akteure zu verdanken. Unterstützend wirkte vor allem die "Afrikanische Union" (AU). Die Vermittlung sei hilfreich, doch müsse der Sudan langfristig aus eigener Kraft zur Einigung finden. Annette Weber ist da skeptisch: "Es ist einfach noch nicht entschieden, ob sich der Sudan tatsächlich langfristig in Richtung Demokratisierung und transparente Politik bewegt oder ob letztendlich doch die alten Netzwerke - mit ein paar neuen Gesichtern - wieder das Ruder übernehmen werden."

Autonomie und politische Kultur

Die Mitte August beginnenden Verhandlungen werden darum nicht nur über die Zusammensetzung des Kabinetts entscheiden. Es steht viel mehr auf dem Spiel, nämlich die politische Kultur des Landes - und damit auch seine Autonomie. "Wenn die etablierten Strukturen erhalten bleiben, wird der Sudan auch weiter von fremder Finanzierung abhängig sein", sagt Annette Weber. "Diese leisten vor allem die Golfstaaten. Sollte sich der Sudan aber ökonomisch und politisch ernsthaft erneuern, werden sie nicht mehr der wichtigste Partner Khartums sein."

Ihre Unterstützungsbereitschaft dürften sich die beiden konservativen Golfstaaten durch politische Einflussnahme bezahlen lassen. Ginge es nach ihnen, würde der Sudan ein konservativer Staat, geführt mit straffer Hand und mit wenig Raum für die Anliegen der Zivilbevölkerung. Ganz wesentlich komme es aber auf zwei Punkte an, sagt der sudanesische Journalist Osman Mirghani im DW-Gespräch. Zum einen auf das außenpolitische Geschick der neuen Regierung. Und zum anderen darauf, ob sich beide Seiten - der Sudan ebenso wie die Golfstaaten - von politischem Pragmatismus leiten lassen. "Wenn beide Seiten erkennen, was ihrer Beziehungen am meisten nutzt, wird das auch in ihren Beziehungen Ausdruck finden", so Mirghani, der im Frühjahr dieses Jahres aufgrund seiner kritischen Berichterstattung für gut sieben Wochen in Haft saß. 

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika