Sudan: Jetzt gegen das Militär
13. April 2019An der Sitzblockade vor der Zentrale der Streitkräfte in der Hauptstadt Khartum und Aktionen in anderen Städten werde festgehalten, bis die Macht komplett an eine zivile Übergangsregierung übergeben worden sei, erklärte das gewerkschaftliche Bündnis SPA. Das Militär hatte zuvor versprochen, die Wünsche der Demonstranten zu berücksichtigen. Die Regierung solle möglichst schnell in zivile Hände übergeben werden, erklärte ein Militärführer.
Wechsel an der Militärspitze
Am Donnerstag hatte die sudanesische Armee Präsident Omar al-Baschir abgesetzt und einen Militärrat gebildet. Der erste Anführer des Rats, der frühere Verteidigungsminister Awad Ibn Auf, war am Freitagabend nach nur einem Tag überraschend zurückgetreten. Ibn Auf erklärte, er wolle so den Zusammenhalt der Sicherheitskräfte gewährleisten und interne Kämpfe vermeiden. Der 65-Jährige war umstritten, weil er ein enger Vertrauter des gestürzten Präsidenten al-Baschir war. Im Darfur-Krieg soll er zudem Luftangriffe auf Zivilisten befohlen und Massenvergewaltigungen gedeckt haben. Die USA hatten deshalb 2007 Sanktionen gegen ihn verhängt.
Der militärische Übergangsrat soll nun vom bisherigen Generalinspekteur, Abdel Fattah Burhan, geführt werden. Er gilt als gemäßigter und kommandierte bisher die Bodenstreitkräfte. In Khartum reagierten Menschen mit Applaus und Jubel auf die plötzliche Rücktrittsankündigung. Das Gewerkschaftsbündnis SPA begrüßte den Wechsel. Es sei ein Schritt in die richtige Richtung, und das Militär habe sich damit dem Willen der Massen gebeugt. Man werde die Revolution aber vorantreiben, bis die legitime Forderung des Volkes erfüllt und eine zivile Übergangsregierung eingesetzt sei.
Der Rat teilte ebenfalls mit, der Chef des Geheimdienstes NISS, Abdallah Gusch, habe seinen Rücktritt erklärt. Zunächst war unklar, ob dies auf einen Machtkampf zwischen den unterschiedlichen Sicherheitsorganen hindeutet oder ein Anzeichen dafür ist, dass das Militär auf Oppositionsforderungen eingeht.
Tote durch "verirrte Kugeln"
Auch am Samstag versammelten sich wieder Zehntausende Menschen vor der Zentrale der Streitkräfte in Khartum zu einer Sitzblockade. Die Menschen warteten gespannt auf eine Ankündigung des Übergangsrates, wie es weitergehen und ob die neue Führung mehr Macht an zivile Kräfte übergeben werde.
Der Militärrat macht daraufhin erste Zugeständnisse an die Demonstranten. So kündigte der Anführer des Militärrats Burhan an, eine nächtliche Ausgangssperre werde wieder aufgehoben. Sein Vorgänger Ibn Auf hatte die Sperre für einen Monat von 22.00 bis 4.00 Uhr verhängt. Burhan erklärte zudem, dass alle politischen Gefangenen, die während der Proteste der letzten Monate festgenommen wurden, freigelassen werden sollten. Er wiederholte auch, dass die Streitkräfte für maximal zwei Jahre regieren werden, um in der Zeit die Macht an eine zivile Übergangsregierung abzugeben. Burhan versprach, den Machtapparat des gestürzten al-Baschir "mit der Wurzel auszurotten".
Verantwortliche vor Gericht stellen
Trotz der Zugeständnisse der Militärführung an die Demonstranten gehen die Proteste weiter. Immer wieder kam es auch unmittelbar nach dem Militärputsch zu Ausschreitungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Seit Donnerstag sollen nach offiziellen Angaben mindestens 16 Menschen durch verirrte Kugeln ums Leben gekommen sein. Auf diese Weise seien zudem 20 Menschen verletzt worden, erklärte ein Polizeisprecher. Die Verantwortlichen für den Tod der Demonstranten sollten vor Gericht gestellt werden, kündigte Burhan an.
Die sudanesische Zivilgesellschaft geht seit Dezember gegen die Regierung auf die Straße. Auslöser der Massenproteste war eine Erhöhung der Benzin- und Brotpreise. Der Sudan mit rund 41 Millionen Einwohnern gehört zu den 25 ärmsten Länder der Welt. Das Land durchlebt eine schwere Wirtschaftskrise.
Das Militär führte die Proteste als Rechtfertigung an, warum es die Macht ergriffen hat. Al-Baschir wurde als Machthaber dargestellt, der kein Ohr mehr für die Probleme der Menschen gehabt habe. Die Staatsführung habe mit Gewalt reagieren wollen und jegliche politischen und wirtschaftlichen Probleme ignoriert, hieß es. Deshalb habe man entschieden, dass "eine Veränderung stattfinden muss". Die Streitkräfte versicherten, sie wollten nur übergangsweise an der Macht bleiben und lediglich für Stabilität und Sicherheit sorgen.
pgr/qu (dpa, afp, ap, rtr)