Sturzflut treibt Schadenssummen nach oben
10. Januar 2022Mit einem Gesamtschaden von 46 Milliarden Euro war das Tief "Bernd" mit tagelangen Regenfällen im vergangenen Jahr das zweitteuerste Naturereignis weltweit, wie aus dem am Montag veröffentlichten Naturkatastrophenbericht der Münchener Rück (Munich Re) hervorgeht. "Der Klimawandel hat solche Ereignisse wahrscheinlicher gemacht", stellt Ernst Rauch, der Chef-Klimaforscher des Rückversicherers, im Interview mit der DW fest. "Es wird eine Generationenaufgabe, unser Land wetterfest zu machen."
Weltweit verursachten Stürme, Hochwasser, Waldbrände oder Erdbeben 2021 Schäden von 280 (2020: 210) Milliarden Dollar. 120 (82) Milliarden davon mussten Versicherer und Rückversicherer tragen - mehr war es Rauch zufolge nur 2017 (146 Milliarden).
In der inflationsbereinigten Rangliste der teuersten Naturkatastrophenjahre liegt 2021 nach Rechnung des Rückversicherers auf Platz vier. Bislang teuerstes Jahr war 2011, als Seebeben, der Tsunami und das folgende Atomunglück in Japan die weltweite volkswirtschaftliche Schadensumme auf 355 Milliarden Dollar getrieben hatten.
10.000 Menschen kamen im vergangenen Jahr bei Naturkatastrophen ums Leben, ähnlich viele wie 2020. Die Überschwemmungen im Westen Deutschlands und in angrenzenden Regionen kosteten mehr als 220 Menschen das Leben.
Am meisten versicherte Schäden in den USA
Mehr Schaden richtete im vergangenen Jahr nur der Hurrikan "Ida" an, der Ende August über den Süden und Osten der USA hinwegzog und eine Schneise der Verwüstung hinterließ. Von den 65 Milliarden Dollar Gesamtschaden mussten die Versicherer 36 Milliarden zahlen.
In den USA ist ein weit größerer Teil der Häuser, Fabriken, aber auch öffentlicher Infrastruktur wie Straßen und Brücken gegen Naturereignisse versichert als etwa in Deutschland. Daher entfällt auf das Land mit 145 Milliarden Dollar gut die Hälfte des volkswirtschaftlichen Schadens, mit 85 Milliarden aber gut zwei Drittel der versicherten Schäden. noch ungleich härter getroffen wurden die USA, wo Tornados, Hurrikane und eine Kältewelle mit 145 Milliarden Dollar zu Buche schlugen.
Milliardenschäden auf engstem Raum
"Bernd" kostet die Branche nach Berechnungen der Münchener Rück elf Milliarden Euro, davon 8,2 Milliarden in Deutschland. Das ist knapp ein Viertel des Gesamtschadens. Die Sturzfluten etwa an Ahr und Erft hatten im Juli ganze Dörfer überschwemmt. "Dass auf so engem Raum ein so großer Schaden entstehen konnte, hat viele überrascht", sagt Rauch. Das sei eine neue Dimension:
Der versicherte Schaden liege beim Vierfachen dessen, was die größten Überschwemmungs-Unwetter in Deutschland je angerichtet haben. "Das sind Erfahrungen, die für die Versicherungswirtschaft prägend sein werden", sagt der Klima-Experte.
Der Einfluss des Klimawandels sei nicht von der Hand zu weisen. Die warme Luft kann mehr Feuchtigkeit aus den Meeren aufnehmen, damit werden starke Niederschläge wahrscheinlicher. Und weil sich mit den Temperaturunterschieden auch Luftströme verändern, bleiben Hochs und Tiefs länger an einem Ort. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Welt das Ziel einer Erwärmung von maximal 1,5 Grad verfehle, steige Monat für Monat, sagt Rauch.
Münchener Rück: Müssen uns an Klimawandel anpassen
"Es wird immer klarer, dass wir uns dem Klimawandel anpassen müssen" - auch mit Blick auf künftige Generationen. "Das geht vom Verbot, zerstörte Gebäude in Risikozonen wieder aufzubauen, bis zur Renaturierung von Flüssen."
Die Sicherheitspuffer bei Schutzmaßnahmen müssten größer werden. "Hochwasserschutz ist in Deutschland meist auf ein 100-jähriges Hochwasser ausgelegt." Die Niederlande erhöhten ihre Deiche bereits für Fluten, wie man sie bisher nur alle 10.000 Jahre erwartet habe, erklärt Rauch. Dass sich Schutzmaßnahmen lohnten, zeige der Hurrikan "Ida". Als er auf das amerikanische Festland traf, war er sogar stärker als 2005 der Wirbelsturm "Katrina", der New Orleans verwüstet hatte. Dennoch richtete "Ida" nur halb so große Schäden an wie "Katrina", weil die verstärkten Deiche rund um die Stadt hielten.
tko/hb (rtr, dpa)