Studenten hoffen auf mehr Geld
7. März 2014Gerade so kommt Studentin Merle Ingenfeld mit 500 Euro Bafög im Monat hin. "Von meinen Eltern werde ich nicht unterstützt, deshalb gehe ich neben dem Studium arbeiten", erzählt die 24-jährige Nordamerikanistik-Studentin aus Bonn. Möglich ist ihr Studium also nur, weil Merle jeden Monat vom Staat gefördert wird. Im Rahmen des sogenannten Bundesausbildungsförderungsgesetzes, kurz Bafög, sollen junge Menschen wie Merle studieren können, die nicht oder nur in geringem Umfang von ihren Eltern unterstützt werden.
Zwar gibt der deutsche Staat mittlerweile über drei Milliarden Euro für Bafög aus - so viel wie noch nie. Doch die Zahl der Studierenden hat sich seit dem Wegfall der Wehrplicht und den doppelten Abiturjährgängen deutlich erhöht und damit auch die Zahl der Anträge. Also wird stärker ausgesiebt, wer denn überhaupt Anspruch auf die staatliche Förderung hat. Im Durchschnitt bekommt jeder Student 448 Euro im Monat, der Höchstsatz liegt bei 670 Euro - zu wenig, um damit in den teuren Studentenstädten Mieten von rund 400 Euro für ein Zimmer zu zahlen.
Ohne Nebenjob kein Studium möglich
Laut der aktuellen Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks benötigt ein Student im Monat 570 bis 1.100 Euro im Monat. Von Bafög allein, das 2010 zuletzt erhöht wurde, leben deshalb die Wenigsten. Der Großteil der Studierenden geht wie Merle Ingenfeld neben dem Studium arbeiten.
"Viele verdienen sich beispielsweise mit Kellnern noch Geld dazu, was durch die Schichtdienste total anstrengend ist", erzählt die 27-jährige Hirra Sonya Hafeez. Mit höheren Bafög-Sätzen könnte sie sich mehr auf ihr Studium konzentrieren, so Hirra. Ein wichtiger Punkt, denn wer die Regelstudienzeit von sechs Semestern im Bachelor und vier Semestern im Master überschreitet, verliert seinen Anspruch auf Bafög. Dieses Problem soll mit der Erhöhung der Ausbildungsförderung gelöst werden. Studenten könnten in Zukunft seltener auf einen Nebenjob angewiesen sein. Das Deutsche Studentenwerk fordert daher eine Steigerung der Bedarfssätze um 7,5 Prozent.
Große Versprechen, aber keine Einigung über Finanzen
Noch aber kann sich die deutsche Politik nicht darauf einigen, wie stark die Bafögsätze angehoben werden sollen. Unklar ist auch, wer die große Reform eigentlich bezahlt. Die Bundesländer, die zu 35 Prozent am Bafög beteiligt sind, möchten, dass die Bundesregierung mehr zahlt. Die wiederum will eine stärkere Beteiligung der Länder an den Mehrkosten. Hinter den Kulissen wird derzeit kräftig gestritten und verhandelt.
Bundesbildungsministerin Johanna Wanka jedenfalls verspricht in aktuellen Interviews, dass das Bafög mit der neuen Reform nicht nur erhöht, sondern auch flexibler verteilt wird. Künftig sollen auch junge Eltern, die nur in Teilzeit studieren können, ältere und ausländische Studierende einen Anspruch auf staatliche Förderung erhalten. 2012 wurden zudem rund 54.000 Auslandsaufenthalte von deutschen Studierenden mit Bafög unterstützt. Diese Zahl soll im Rahmen der Reform weiter steigen.
Finanzierungslücken beseitigen
Für die Deutschen Studentenwerke bedeutet das künftig mehr Arbeit. Rund 8.000 Bafög-Anträge im Jahr muss alleine das Bonner Studentenwerk bewältigen. Da bleibt wenig Zeit für den Einzelnen. Bafög ist ein Massengeschäft. Individuelle Beratung bietet deshalb der Allgemeine Studierendenausschuss der Uni Bonn, der Asta. In ihrer Sprechstunde berät Juristin Yvonne Dreisbach Studierende in finanziellen Notsituationen.
Sie hofft nun darauf, dass im Rahmen der Reform auch Finanzierungslücken geschlossen werden, etwa zwischen dem Ende des Bachelorstudiums und dem Beginn des Masterstudiums. "Oft haben Studierende die Leistungen schon erbracht, um ihr Masterstudium aufnehmen zu dürfen", erklärt Dreisbach. "Aber die Bachelor-Prüfungen sind noch nicht bewertet worden, und deshalb erlischt ihr Anspruch auf Bafög." In dieser Zeit stünden viele Studenten finanziell vor dem Nichts, kritisiert die Juristin und fordert mehr Kulanz bei der Bewilligung des Bafög.
Entbürokratisierung des Bafög gefordert
Aus Sicht der Studierenden ist ein weiterer Streitpunkt die Ermittlung der Bafög-Bedarfssätze. Denn viele Eltern, die eigentlich genug verdienen, um ihre Kinder zu unterstützen, müssen oft hohe Kredite tilgen, die in die Berechnung der Bedarfssätze nicht einbezogen werden. Yvonne Dreisbach spricht hier vom sogenannten "Mittelstandsloch". Die Reform will auch hier nachbessern und die steuerlichen Freibeträge anheben, die auf das Einkommen der Eltern angerechnet werden. Damit hätten mehr Familien Anspruch auf die staatliche Ausbildungsförderung.
Doch nicht nur Mittelschichtsfamilien sollen von der Reform profitieren, sondern auch Kinder aus sogenannten "bildungsfernen Familien". Laut der aktuellen Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks studieren noch immer deutlich mehr Kinder aus Akademikerfamilien als Kinder von Nicht-Akademikern. Um gerade diese Familien zu erreichen, müsste die ganze Bürokratie rund um Bafög-Anträge und Bewilligungen vereinfacht werden, meint Hirra Sonya Hafeez. "Es sollte viel transparenter sein, wer wann wieviel Bafög erhalten kann und auf welcher Grundlage das berechnet wird", fordert die Siegener Studentin.