Der Streit eskaliert
11. März 2017In Rotterdam ist die niederländische Polizei mit Wasserwerfern gegen Demonstranten vor dem türkischen Generalkonsulat vorgegangen. Berittene Beamte begannen in der Nacht, die Menge auseinanderzutreiben und die Straße wieder freizuräumen. Auf Bildern des türkischen Fernsehens war zu sehen, wie Polizisten einige Demonstranten teils unter Einsatz von Hunden und Schlagstöcken abdrängten.
Auch vor der Botschaft in Ankara und dem Konsulat in Istanbul versammelten sich mehrere Tausend Menschen gegen die Haltung der niederländischen Regierung. In Düsseldorf kamen in der Nacht etwa 300 Menschen zu einer spontanen Kundgebung zusammen, um gegen die Veranstaltungsabsagen in den Niederlanden zu protestieren.
Die angespannte Situation zwischen den Niederlanden und der Türkei hatte sich am Samstagabend zugespitzt, als die Familien- und Sozialministerin Fatma Betül Sayan Kaya von der Polizei in Rotterdam gestoppt wurde. Kaya wurde daran gehindert, das türkische Generalkonsulat zu erreichen. Die Ministerin wollte mit einem Fahrzeugkonvoi aus Deutschland kommend zum Konsulat fahren. Wenige Meter vor dem Gebäude wurde ihr der Zutritt verwehrt. Dort versammelten sich später mehr als Tausend türkische Demonstranten.
Auf Twitter schrieb die Familienministerin, die Niederlande verletzten sämtliche internationalen Gesetze, Konventionen und Menschenrechte, indem sie sie davon abhielten, das Generalkonsulat zu betreten. Kaya wurde mehrfach von den Behörden aufgefordert, das Land auf dem kürzesten Weg wieder zu verlassen. Die Ministerin weigerte sich, dem Folge zu leisten. Am frühen Sonntagmorgen wurde sie von niederländischen Behörden schließlich in Richtung der deutschen Grenze eskortiert, um sie auszuweisen.
In einer Erklärung stufte die niederländische Regierung den Besuch der Politikern als "unverantwortlich" ein. Ministerpräsident Mark
Rutte wies darauf hin, dass der Ministerin schon vor ihrer Ankunft in Rotterdam erklärt worden sei, dass ihr Wahlkampfauftritt im türkischen Konsulat "unerwünscht" sei. "Dennoch entschied sie sich, zu reisen", heißt es in der Erklärung, die vom Sender NOS dokumentiert wurde. Rotterdams Bürgermeister Ahmed Aboutaleb erklärte auf einer Pressekonferenz, Kaya sei zur "unerwünschten Ausländerin" erklärt worden.
Die Ministerin war in die niederländische Hafenstadt gereist, nachdem die Regierung in Den Haag dem türkischen Außenminister Cavusoglu am Samstag die Einreise für einen Auftritt in Rotterdam verweigert und eine Landeerlaubnis untersagt hatte. Als Grund nannte die Regierung, dass die türkischen Behörden öffentlich Sanktionen angedroht hätten, sollte Cavusoglu nicht in den Niederlanden auftreten dürfen.
Botschaft und Generalkonsulat in der Türkei abgeriegelt
Die türkischen Behörden riegelten nach dem Streit die niederländische Botschaft und das Generalkonsulat in Istanbul aus "Sicherheitsgründen" ab. Laut dem türkischen Außenministerium wurden die Ein- und Ausgänge geschlossen. Das türkische Außenministerium bestellte den niederländischen Geschäftsträger in Ankara ein. Ihm wurde mitgeteilt, dass eine Rückkehr des niederländischen Botschafters, der sich zurzeit nicht in der Türkei aufhält, unerwünscht sei.
Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte nach dem Einreiseverbot für den türkischen Außenminister mit Vergeltung gedroht. Das Verbot für Cavusoglu sei ein "Relikt" des Nationalsozialismus, sagte Erdogan. Er drohte mit Landeverboten für niederländische Flugzeuge in der Türkei. "Sie sind Faschisten", sagte der Präsident. "Hindert unseren Außenminister am Fliegen soviel Ihr wollt, aber von nun an werden wir sehen, wie Eure Flüge in der Türkei landen!"
Cavusoglu will Sonntag nach Frankreich
Türkische Politiker wollen bei ihren in Westeuropa lebenden Landsleuten für die Annahme der Verfassungsänderung werben, mit der am 16. April die Macht Erdogans ausgeweitet werden soll. In mehreren Staaten wurden Politikerauftritte abgesagt, vor allem unter Hinweis auf Sicherheitsbedenken.
Nach seiner Abfuhr in den Niederlanden wird Außenminister Cavusoglu am Sonntag vor Landsleuten in Frankreich auftreten. Dazu traf der Minister bereits am Samstagabend in Frankreich ein, wie er twitterte. Die von einem örtlichen türkischen Verband organisierte Veranstaltung sei vom französischen Außenministerium genehmigt worden, berichteten französische Medien.
rk/stu (dpa, afp, ap, rtre)