Streit um nachhaltiges Palmöl
14. September 2013Sie sind mit Trillerpfeifen, Putzeimern und Schwämmen gekommen. Ein Aktivist im Orang-Utan-Kostüm hält ein Schild in die Höhe. Darauf steht: "Mir qualmt der Pelz. Stopp Brandrodung." Er legt den Kopf auf eine Baumstumpf-Attrappe und ein Demonstrant im Waldarbeiter-Outfit wirft eine Motorsäge an.
Rund 50 Mitglieder deutscher und indonesischer Nichtregierungsorganisationen haben sich vor der Zentrale der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Berlin versammelt, um gegen die Gründung des Forums Nachhaltiges Palmöl zu protestieren - ein Zusammenschluss von Unternehmen, die im deutschsprachigen Raum Palmöl verarbeiten oder verkaufen.
Nachhaltigkeit, so ihre Botschaft, passe nicht zu einer Industrie, die Urwälder in den Tropengürteln der Erde abholzen lässt. "Wo Regenwald zerstört wird, da kann man keine Siegel für Nachhaltigkeit vergeben", beschwert sich Hedwig Zobel von der NGO "Rettet den Regenwald".
Industrieforum will 100 Prozent nachhaltiges Öl
"Die Kritik der NGOs ist in vielen Bereichen gerechtfertigt", sagt Clemens Neumann vom Bundeslandwirtschaftsministerium. "Es wird aber schwierig, angesichts des Bevölkerungswachstums alleine auf Schutz zu setzen." Denn Palmöl ist nach Branchenauskunft in 50 Prozent aller Supermarktprodukte zu finden: in Tütensuppen, Schokoriegeln, Margarine, aber auch Kosmetika und Reinigungsmitteln. Mit 50 Millionen Tonnen im Jahr 2012 ist es das meist verbrauchte Pflanzenfett der Welt, vor Soja und Raps. Zwei Drittel dieser Menge stammen aus Indonesien und Malaysia. Deutschland importierte im vergangenen Jahr 1,2 Millionen Tonnen Palmöl. Nach Ansicht der GIZ sei es "unmöglich", das Öl vollständig durch andere Produkte zu ersetzen.
Deshalb sucht die Industrie nach einem pragmatischen Ansatz. "Dieses Forum soll Unternehmen dabei unterstützen, 100 Prozent nachhaltig zertifiziertes Palmöl einzusetzen", sagt GIZ-Mitarbeiter Daniel May, Generalsekretär des Forums Nachhaltiges Palmöl. "Es gibt eine klare Zeitlinie für alle, die Mitglied werden wollen: bis Ende 2014. Das ist ein herausforderndes Ziel." Von den rund 7,5 Millionen Tonnen an zertifiziertem Palmöl, die jährlich zur Verfügung stehen, werde nur die Hälfte gekauft.
Missbrauch von Siegeln
Ein Grund für die schwache Nachfrage ist, dass Ölpalmen weltweit fast ausschließlich auf Böden wachsen, auf denen einst Regenwald stand. Die verschiedenen Nachhaltigkeitssiegel unterscheiden sich unter anderem in der Frage, wie lange die Abholzung zurückliegt. Das am meisten verbreitete Zertifikat ist das der Nachhaltigkeitsorganisation der Palmölindustrie RSPO (Roundtable on Sustainable Palmoil). Sie verleiht ihr Gütesiegel an Plantagen, für die der Regenwald noch vor 2007 gerodet wurde. Doch obwohl das Siegel auf vielen Produkten zu sehen ist, räumt RSPO-Präsident und Unilever-Manager Jan Kees Vis ein: "Bisher kann man vor Ort keine Effekte sehen."
Im Gegenteil: Studien von Greenpeace zufolge war von 2009 bis 2011 keine Branche stärker an der Abholzung von Regenwäldern in Indonesien beteiligt als die Palmölindustrie - darunter vielfach Firmen mit RSPO-Siegel. Vis weiß, dass es schwarze Schafe gibt, will die Firmen aber nicht aus der Organisation ausschließen. "Das ist eine Gratwanderung, aber wenn wir die Firmen sofort herauswerfen, wer hätte gewonnen? Wer könnte dann helfen, Kompensationen für die betroffenen Gemeinden durchzusetzen?" Die Firmen würden von der Bildfläche verschwinden und die Organisation hätte keinen Einfluss mehr auf die Situation, gibt er zu bedenken.
Ungeklärte Konflikte, anhaltender Druck auf die Wälder
Nach Aussage der NGO Watch Indonesia schwelen rund 7.000 ungeklärte Landkonflikte mit hohem Gewaltpotenzial zwischen Indigenen und Bauern auf der einen und der Palmölbranche auf der anderen Seite. Hier sei der Nachhaltigkeitsbegriff nicht angebracht, sagt Watch Indonesia-Vertreterin Adriana Sri Adhiati: "Menschen in Europa würden sich natürlich besser fühlen, wenn sie ein zertifiziertes Produkt kaufen könnten. Wenn es aber auf Kosten der Lebensumstände von Menschen auf der anderen Seite der Welt gewonnen wird, ist das nicht nachhaltig. Nachhaltigkeit heißt Fairness und muss die Frage nach Gerechtigkeit beantworten."
Das neue Forum drängt darauf, die Hürden für eine Zertifizierung zu erhöhen: "Ziel ist, innerhalb der nächsten Monate Kriterien aufzustellen, die ein glaubwürdiges Siegel erfüllen muss", sagt Generalsekretär May. Es ist aber nicht nur die Sorge um die Regenwälder, die die Industrie in Europa umtreibt. Ab Ende 2014 gilt eine neue EU-Richtlinie zur Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln. Die Firmen müssen dann genau angeben, welche Pflanzenöle in ihren Produkten stecken. Der Aufdruck "Pflanzenfett" allein reicht dann nicht mehr aus. Dadurch sind die Unternehmen zu mehr Transparenz verpflichtet.