Streit um die wichtigste Pipeline der Welt
15. Mai 2005Sie führt vom aserbaidschanischen Baku durch Georgien in den türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan: eine der wichtigsten Pipelines der Welt, von der Russland überhaupt nicht begeistert ist. Die Pipeline umgeht den mächtigen Staat und bringt so den westlichen Industriestaaten mehr Unabhängigkeit vom arabischen und vom russischen Öl. Den jungen südkaukasischen Staaten im Gegenzug wirtschaftlichen Aufschwung.
Das Ende ist nah
Bereits Ende September soll der erste Tropfen im 1750 Kilometer von Baku entfernten Ceyhan eintreffen. 2,3 Milliarden Euro kostet das Projekt insgesamt. Während der erste Streckenabschnitt bereits funktionstüchtig ist, wird weiter westlich, im gebirgigen Georgien und in der Türkei, noch unter Hochdruck an dem Rohr gebaut. Dort, an einer der letzten Baustellen der Pipeline im Bauarbeiter-Camp in Akhaltsikhe, wird Ian Cummens die Nacht verbringen.
Der Projektmanager bei BP in Georgien ist verantwortlich dafür, dass die Röhren pünktlich am richtigen Ort liegen. Er verstaut seine Sportledertasche im Laderaum des Hubschraubers und wirft einen letzten Blick auf die Karte. Noch ist er in Tiflis. Mit dem Finger auf der Karte zeichnet er die Flugroute nach. In Marneuli, etwa 50 Kilometer vor der Grenze zu Aserbaidschan stößt er auf die Pipeline. "Wir fliegen dann entlang der Pipeline bis nach Akhaltsikhe. Aus der Luft bekommt man einen besseren Überblick über die Bauarbeiten", sagt Cummens.
Keine Probleme für die Umwelt
Ruckelnd setzt sich der Hubschrauber in Bewegung. Von der Pipeline sieht man während des Fluges kaum etwas. Sie verläuft größtenteils unter der Erdoberfläche. Derzeit zieht sich von Baku bis ins türkische Ceyhan eine etwa 10 Meter breite Schneise. Darunter ist das Rohr vergraben. In wenigen Jahren soll davon nichts mehr zu sehen sein.
In Georgien verläuft die Pipeline dicht am Borjomi Nationalpark vorbei. Das sei ein Risiko, sagen georgische Umweltschützer. Denn die junge Republik setzt vor allem auf Öko-Tourismus. Die Pipeline könnte Touristen abschrecken. Die Manager von BP und georgische Experten beteuern jedoch, der Nationalpark sei nicht gefährdet. Ebenso wenig wie die berühmten Mineralquellen von Borjomi, sagt David Glendinning, einer der Manager im Tifliser Büro von BP.
Die Pipeline Baku-Ceyhan sei mit extrem hohen Standards gebaut worden. Technische, Umweltschutz- und Sicherheitsnormen entsprechen mindestens den EU-Standards laut Glendinning. "Dass so viele internationale Teilhaber das Projekt finanzieren, hat dazu geführt, dass diese Pipeline im Vergleich zu anderen noch transparenter ist. Denn es gibt sehr viele externe Organisationen, die den Bau beobachten."
Nicht jeder profitiert im Kaukasus vom Öl
Dann taucht auf der linken Seite die aserbaidschanische Ebene auf. Der Ölmulti BP muss sich hier den Vorwurf gefallen lassen, mit einem undemokratischen Regime zusammenzuarbeiten. In Aserbaidschan regiert Ilham Aliyev. Er hat das Präsidentenamt in umstrittenen Wahlen von seinem Vater geerbt. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) berichtete häufig von Verstößen gegen das Wahlgesetz.
Die Gewinne aus dem Ölexport werden in Aserbaidschan von einem Ölfonds verwaltet - dieser untersteht einem Verwandten des Präsidenten. Viele Leute denken, dass Aserbaidschan nach dem Bau der Pipeline politisch nicht mehr von Russland abhängig sein und es keine Arbeitslosigkeit und Armut geben werde laut Mayis Gulaliyev. Er ist einer der stärksten Kritiker der Pipeline in Aserbaidschan. "Leider sind diese Hoffnungen unbegründet. Denn in Aserbaidschan gibt es keine öffentliche Kontrolle darüber, wie die Gewinne aus dem Ölexport verwendet werden. Und deswegen werden sie nur dem korrupten Regime zugute kommen", sagt Gulaliyev. Die Manager von BP in Aserbaidschan wollen das nicht kommentieren.
Kein leichter Bau
Der Hubschrauber fliegt dicht über dem Boden eine steilen Hang hinauf. Die Schneise, unter der die Pipeline liegt, windet sich in einem weiten Bogen. "Die schwierigsten Gegenden sind für uns im Moment die Höhen." Cummens zeigt auf einen Berg auf dem noch ein Meter Schnee liegt. Vor zwei Wochen seien es noch zwei Meter gewesen. Seit Oktober können Cummens und seine Männer dort nicht sicher arbeiten.
Nach einer knappen Stunde landet der Hubschrauber am Rand von Akhaltsikhe. Ian Cummens fährt direkt zur Baustelle. Neben Briten arbeiten hier unter anderem Inder, Russen, Georgier und Türken. Die Pipeline hat Jobs in die entlegenen Gegenden des Kaukasus gebracht - wenn auch nur für eine begrenzte Zeit.