Streit um Amazonas-Fördergeld aus Deutschland
2. Oktober 2019Das Treffen war offenbar so heikel, dass weder eine Pressekonferenz im Anschluss stattfand noch eine Pressemitteilung erschien. In Berlin traf am Dienstag dieser Woche Brasiliens Umweltminister Ricardo de Aquino Salles seine deutsche Kollegin Svenja Schulze (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU). Es ging um den Amazonas, um Geld und um den Klimawandel. Vor allem aber wohl darum, überhaupt wieder ins Gespräch zu kommen.
Im August nämlich hatte die deutsche Umweltministerin Projektgelder in Höhe von 35 Millionen Euro für Waldschutz-Projekte in Brasilien auf Eis gelegt. In einem Zeitungsinterview begründete die SPD-Politikerin das damit, dass es Zweifel gebe, "ob eine konsequente Reduzierung der Entwaldungsraten noch verfolgt wird". Zweifel, die viele Experten weltweit teilen.
Seit Januar ist die neue Regierung Brasiliens mit dem rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro im Amt. Der glaubt nicht daran, dass der Mensch den Klimawandel verursacht hat. Den Amazonas-Regenwald, den viele Wissenschaftler als grüne Lunge des Planeten betrachten, als wichtig für das Weltklima, sieht Bolsonaro als nationale Angelegenheit, die den Rest der Welt nichts angeht. Kritiker werfen dem Präsidenten vor, das Geschäft der Agrar-und Holzindustrie zu betreiben. Tatsächlich gingen allein zwischen Mai und Juli dieses Jahres viermal mehr Waldfläche durch Abholzung verloren als im selben Vorjahreszeitraum. Im August schreckten weltweit die Bilder von verheerenden Waldbränden im Amazonas.
"Behalten Sie Ihr Geld!"
Nachdem Schulze die Mittel gestrichen hatte, reagierte Bolsonaro wenig diplomatisch: "Sie können das Geld einsetzen, wie sie es für richtig halten. Brasilien braucht es nicht." Das aber, so sein Umweltminister Salles jetzt während seines Besuches in Deutschland, sei gar nicht so böse gemeint gewesen. In einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" sagte Salles dazu etwas geheimnisvoll: "Lassen Sie uns Politik nicht mit technischen Fragen vermischen. Das war eine Reaktion auf eine Äußerung aus Europa." Mit anderen Worten: An einer Förderung ist Brasilien weiterhin interessiert. Aber die deutsche Umweltministerin bleibt bei dieser Frage erst einmal hart.
Ihr Sprecher Nikolai Fichtner sagte dazu am Mittwoch in Berlin, dass die Gelder eingefroren bleiben. Neu ausgezahlt werden könnten sie, "wenn wir den begründeten Eindruck haben, dass das Geld auch gut investiert wird." Das ist im Moment offenbar nicht der Fall. Das Gespräch, so Fichtner, sei ein sachlicher Meinungsaustausch gewesen. Aber: "Die Ministerin Svenja Schulze hat ihre Position sehr deutlich gemacht und den Schutz des Regenwaldes angemahnt."
"Regenwaldschutz bleibt Schwerpunkt"
Für das Entwicklungshilfe-Ministerium bleibe der Regenwaldschutz ein Schwerpunkt, sagte ein Sprecher. "Brasilien ist ein wichtiger Partner in vielen Bereichen Deutschlands und deswegen wollen wir die Zusammenarbeit in der Sache zum Schutz des Regenwaldes auch fortsetzen", sagte er. Es habe in den letzten 15 Jahren Fortschritte beim Stopp der Entwaldung gegeben. Ziel sei es, die Entwaldung auf Null zu bringen.
Beim so genannten Amazonas-Fonds hat Deutschland, vertreten durch den Entwicklungsminister, seine Unterstützung bisher aufrechterhalten. Im Gegensatz zum größten Förderer, Norwegen. Die Regierung in Oslo hatte zugesagte Mittel von rund 33 Millionen Dollar eingefroren. Denn Brasiliens Regierung hatte in den vergangenen Monaten den Leitungsrat des Fonds lahmgelegt und neue Regeln für die Verwendung der Gelder gefordert.
In dem Zeitungsinterview entwarf Salles im übrigen ein ganz anderes Bild von der Umweltschutzpolitik seines Landes, als Experten es weltweit haben: "Wir setzen auf erneuerbare Energie, reduzieren die Abholzung des Regenwalds, fördern die Aufforstung. Unser nationaler Klimaschutz-Beitrag ist wahrscheinlich der ehrgeizigste der Welt." Das allerdings sehen dann doch die meisten Beobachter anders.