Prozess um Anschlag auf BVB-Bus hat begonnen
21. Dezember 2017Unter großem Medienandrang hat in Dortmund der Prozess um den Splitterbomben-Anschlag auf den BVB-Mannschaftsbus begonnen. Im Unterschied zu den Pressevertretern kamen Zuschauer und Fans des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund dagegen kaum ins Landgericht hinein. Dem Angeklagten Sergej W. wird vorgeworfen, am 11. April in einer Hecke unweit des Mannschaftshotels in Dortmund drei selbstgebaute Sprengsätze deponiert und beim Vorbeifahren des BVB-Busses gezündet zu haben. Der Abwehrspieler Marc Bartra zog sich eine schwere Unterarmverletzung zu, ein vorbeifahrender Polizist erlitt ein Knalltrauma. Die Tat unmittelbar vor einem Champions-League-Heimspiel des Bundesligaklubs gegen AS Monaco löste bundesweit Entsetzen aus. Bei einem Schuldspruch droht dem deutschen Staatsbürger lebenslange Haft.
Nach Angaben der Ermittler waren die Sprengsätze mit jeweils maximal einem Kilogramm einer Wasserstoffperoxid-Brennstoffmischung sowie mindestens 65 Metallbolzen bestückt, die in Epoxidharz eingeschlossen waren. Zum Zeitpunkt der Detonation befanden sich neben dem Fahrer 18 Dortmunder Lizenzspieler sowie Mitglieder des Trainer- und Betreuerstabs in dem Bus.
Nach dem Anschlag wurde tagelang über mögliche islamistische Hintergründe spekuliert, weil am Tatort drei Bekennerschreiben entsprechenden Inhalts gefunden worden waren. Kurzzeitig übernahm sogar die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe die Ermittlungen. Doch laut Anklage war das Motiv des Angeklagten Habgier.
Wette auf fallende Aktienkurse
Einige Tage vor der Tat soll der 28-Jährige kreditfinanziert mehrere hochriskante Finanzgeschäfte im Volumen von insgesamt 44.300 Euro getätigt haben, bei denen er auf einen fallenden Kurs der BVB-Aktie wettete. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hoffte der Elektrotechniker, durch einen massiven Kursverlust der Aktie infolge des Anschlags ein Vielfaches seines Einsatzes kassieren zu können. Der BVB ist der einzige deutsche Fußballverein, dessen Aktien an der Börse gehandelt werden.
Die Staatsanwaltschaft geht in diesem Zusammenhang von einem maximal möglichen Gewinn von gut 500.000 Euro aus. Den Ermittlern zufolge soll der Angeklagte die Finanzprodukte in den Tagen nach der Tat verkauft und dabei einen Gewinn von letztlich knapp 5900 Euro erzielt haben. Sergej W. hatte früher laut Behörden angegeben, in Dortmund nur Urlaub gemacht zu haben.
Neue Form von Kriminalität
Der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, wertete das Attentat von Dortmund kurz nach der Festnahme von Sergej W. als eine ganz neue Form der Kriminalität. "Das haben wir auch noch nicht erlebt, dass ein Anschlag, zu dem wir ermitteln, sich dann so entwickelt und am Ende sich als so eine perfide Form von Manipulation von Börsenkursen herausstellt", sagte Münch.
Für den Prozess vor dem Landgericht sind zunächst 18 Verhandlungstage bis zum 28. März anberaumt. Neben vielfachen Mordversuchs legt die Staatsanwaltschaft dem mutmaßlichen Täter, der am 21. April von der Spezialeinheit GSG 9 in Rottenburg festgenommen wurde, das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und zweifache gefährliche Körperverletzung zur Last. Am 9. November ordnete das Oberlandesgericht Hamm an, dass W. weiter in Untersuchungshaft bleibt - wegen Fluchtgefahr.
Mehrere Spieler von Borussia Dortmund haben sich dem Verfahren als Nebenkläger angeschlossen. Fußballweltmeister Matthias Ginter äußerte sich in einem Interview der Zeitung "Die Welt". Von dem Prozess erhoffe er sich, etwas über die Motive des Angeklagten zu erfahren. "Zum anderen frage ich mich, warum der Anschlag so passieren konnte, wie er passiert ist, warum es niemandem im Vorfeld aufgefallen ist. Und ich denke, dass mir der Prozess auch dabei helfen wird, das Thema weiter zu verarbeiten."
kle/stu (dpa, afp)