Strafgerichtshof verurteilt Lubanga
10. Juli 2012Auch am letzten Tag seiner Verhandlung erscheint er im eleganten grauen Anzug: Thomas Lubanga Dyilo, Ex-Rebellenchef aus der Demokratischen Republik Kongo. Regungslos hört er zu, als Richter Adrian Fulford heute (10.07.12) das Strafmaß verkündete: 14 Jahre Haft abzüglich der sechs Jahre, die Lubanga bereits in Den Haag im Gefängnis sitzt. "Die Verbrechen sind ohne Frage sehr schwerwiegend und betreffen die gesamte internationale Gemeinschaft", begründete Fulford das Strafmaß.
Bereits im März hatte er Lubanga im Namen des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) wegen schwerer Kriegsverbrechen schuldig gesprochen. Zwischen 2002 und 2003 soll Lubanga in der ostkongolesischen Krisenregion Ituri hunderte Kinder für seine bewaffnete Miliz "Patriotische Kräfte für die Befreiung des Kongo" (FPLC) zwangsrekrutiert haben. Viele waren noch nicht mal 15 Jahre alt. 2006 hatte ihn die kongolesische Regierung verhaftet und an das Weltgericht im niederländischen Den Haag ausgeliefert.
Acht statt 30 Jahre
Acht weitere Jahre muss der Kriegsfürst nach dem heutigen Richterspruch hinter Gitter. Die Anklage unter dem damaligen Chefankläger Luis Moreno-Ocampo hatte 30 Jahre gefordert. "Anstatt ihren Müttern zu gehorchen, mussten die Kinder ihrem Kommandanten gehorchen. Sie wurden trainiert, um zu töten und zu vergewaltigen. Sie wurden in Kampfgebiete geschickt, wo sie jeden töten mussten – egal ob Mann, Frau oder Kind", erklärte Ocampo im Juni und bot an, seine Forderung auf 20 Jahre zu senken, falls Lubanga Reue zeige und sich entschuldige.
Der aber wies bis zuletzt alle Schuld von sich und hatte immer wieder beteuert, er sei nur Politiker gewesen und habe innerhalb der FPLC nichts zu sagen gehabt. "Was fest steht ist, dass ich, Thomas Lubanga, immer gegen die Rekrutierung von Kindersoldaten war, ich habe mich immer dagegen eingesetzt", wiederholte er bei der letzten Anhörung vor den Richtern. Die Vorwürfe der Anklage würden auf Falschaussagen und Lügen beruhen.
Trost für die Opfer
Zwischen 1998 und 2003 hatten Lubangas Milizen den Nordosten des Kongo unsicher gemacht. Sie brannten Dörfer nieder, mordeten, vergewaltigten. Bis zu 60.000 Menschen kamen dabei ums Leben, sagen Menschenrechtler. Erst nach längerem Hin und Her hatte sich die Anklage unter Ocampo entschieden, sich "nur" auf die Kindersoldaten zu konzentrieren. Für die Morde und andere Gräueltaten war ihm die juristische Beweislage zu heikel. Menschenrechtler, vor allem die im kongolesischen Ituri, hatten diese Entscheidung scharf kritisiert.
An über 200 Prozesstagen wurden mehr als 60 Zeugen befragt, darunter auch Opfer Lubangas. Es ist das erste Mal, dass sich die internationale Justiz ausschließlich mit dem Thema Kindersoldaten befasst hat. "Dieses Urteil spendet den Opfern Trost. Und auch denjenigen, die die Menschenrechte verteidigen und im Kongo dagegen kämpfen, dass Verbrechen ungesühnt bleiben", sagte Doli Ibefo von der kongolesischen Nichtregierungsorganisation "Voix des Sans Voix" der DW.
Warnung an andere Kriegsverbrecher
Der Richterspruch habe eine starke Signalwirkung, sagt Geraldine Matioli-Zeltner, die den Prozess für die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch beobachtet hat. "Wir hoffen, dass es eine Warnung ist für diejenigen, die Kinder die Kriege der Erwachsenen kämpfen lassen", so Zeltner in einem Interview mit der Deutschen Welle. "Besonders hoffen wir, dass Lubangas Mitangeklagter Bosco Ntaganda, der gerade eine neue Rebellion im Ostkongo anführt, von dieser Strafe hört, denn er begeht dort gerade die gleichen Verbrechen wie einst Lubanga". Ntaganda führt derzeit die M23-Miliz im Kampf gegen die kongolesische Armee an. Er war einer der Stellvertreter Lubangas im Ituri-Konflikt 2002/2003.
Lubangas Partei, die Union kongolesischer Patrioten (UPC) kritisierte unterdessen das heutige Urteil als "politisch motiviert". Um einen Menschen zu verurteilen, bräuchte man echte Beweise und starke Argumente. Im Prozess von Mr. Lubanga hätte man nur Lügen präsentiert, sagte der UPC-Vorsitzender und Parlamentsabgeordnete Dechuvi Macho. Thomas Lubanga kann Widerspruch gegen das Urteil einlegen. Noch ist nicht klar, wo er seine Haftstrafe verbüßen muss. Bislang haben sich sechs Staaten bereit erklärt, vom Weltgericht Verurteilte in ihren Gefängnissen aufzunehmen, darunter als einziger afrikanischer Staat das Land Mali.