Stimmzettel im Irak werden neu ausgezählt
21. Juni 2018Von der Maßnahme sind auch sämtliche Stimmunterlagen der Auslandswähler, der Vertriebenen und der Sicherheitskräfte betroffen. Das noch amtierende alte Parlament hatte entschieden, die Ergebnisse dieser drei Gruppen zu annullieren, da bei ihnen der Verdacht auf Fälschung besonders groß war. Die Richter kassierten diesen Beschluss der Abgeordneten dagegen als verfassungswidrig.
Das Gericht bestätigte auch die Entscheidung des Parlaments, die neun Mitglieder der Wahlkommission durch neun Richter zu ersetzen, unter deren Aufsicht die Neuauszählung stattfinden soll. Eine Neuauszählung aller Stimmzettel dürfte mehrere Wochen dauern. Sie wird von einem Richtergremium überwacht.
Nach der Wahl am 12. Mai hatten zahlreiche Parteien über angebliche Unregelmäßigkeiten und Stimmenfälschungen geklagt. Ministerpräsident Haidar al-Abadi erklärte, bei der Wahl habe es "gefährliche Verstöße" gegeben. Einige Parteien forderten eine Annullierung aller Stimmen. Kritiker monieren, die erstmals im Irak eingesetzten Wahlautomaten hätten Manipulationen ermöglicht. Forderungen nach einer Annullierung der Wahlergebnisse wurden insbesondere in der autonomen Kurdenregion im Nordirak sowie aus den Reihen der etablierten Parteien laut.
Brand in Lager mit Stimmzetteln
In einem Lager mit ausgefüllten Stimmzetteln in der Hauptstadt Bagdad war am Sonntag ein Brand ausgebrochen, der Al-Abadi zufolge absichtlich gelegt wurde. Danach wurden vier Menschen festgenommen worden. Es handele sich um drei Polizisten und einen Mitarbeiter der Wahlkommission, teilte der Sprecher der zuständigen Justizbehörde mit. Sie stünden unter Verdacht, an dem "kriminellen Brand" beteiligt gewesen zu sein. Nach offiziellen Angaben blieben die meisten Kisten mit Stimmzetteln allerdings verschont.
Bei der Abstimmung hatte überraschend die Liste des einflussreichen schiitischen Predigers Muktada al-Sadr die meisten Sitze gewonnen. Doch ist er zur Bildung einer Regierung auf Koalitionspartner angewiesen. Vergangene Woche schloss al-Sadr ein Bündnis mit der zweitplazierten Eroberungsallianz des früheren Milizführers Hadi al-Ameri. Die Entscheidung überraschte, da al-Ameri dem Iran nahesteht, al-Sadr aber den Einfluss des Iran begrenzen will. Durch die Bildung einer Koalition mit al-Ameri kommt Sadr einer Mehrheit im 329 Sitze zählenden Parlament näher. Zugleich bedeutet der Schritt, dass die Aussichten für den scheidenden Regierungschef Haider al-Abadi schwinden, das Land weiter regieren zu können. Die Wahl galt als richtungsweisend, weil es die erste Abstimmung nach dem militärischen Sieg über die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) war.
kle/AR (afp, dpa, rtre, ape)