Stillstand hinter Gittern
23. Februar 2003650 Menschen aus mehr als 40 Nationen werden mittlerweile von den USA auf der Marinebasis in der Guantanamo Bay festgehalten. Erst kürzlich sind wieder zwei Dutzend hinzugekommen, eingeflogen aus Afghanistan. Viele andere sind bereits seit Januar letzten Jahres hier und haben noch das "Camp X-Ray" miterlebt, eine Anlage von im Freien aufgestellten Metallkäfigen. Seit April leben sie nun im "Camp Delta", wo sie in Hochsicherheitszellen einzeln untergebracht sind.
Bis heute wissen die Gefangenen nicht, was ihnen zur Last gelegt wird. Man habe sie im Kampf an der Seite der Taliban und der El Kaida aufgegriffen, gab US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld vor einiger Zeit zu Protokoll. Nun halte man sie in Gewahrsam, um ihnen die Möglichkeit zu nehmen, weitere terroristische Angriffe zu verüben. Die Gefangenen werden verhört, befinden sich jedoch nicht in einem ordentlichen Gerichtsverfahren und können keine rechtlichen Mittel gegen ihre Behandlung geltend machen. Briefwechsel mit der Familie sind der einzige Kontakt zur Außenwelt.
Status unklar
Selbst ein Jahr nach dem Aufbau des Gefangenenlagers ist noch nicht einmal klar, ob diese Art der Verwahrung rechtens ist. Die USA nennen die Insassen "unrechtmäßige Kämpfer", eine Bezeichnung, die jeder völkerrechtlichen Grundlage entbehrt. Die Genfer Konventionen von 1949 kennen lediglich die Bezeichnung "Kriegsgefangene", deren Behandlung strikten Regeln folgen muss. Dazu gehört etwa, dass die Unterkunft qualitativ der Unterbringung der US-Truppen entsprechen müsste. Auch müssten freie Bewegung und die Möglichkeit zu intellektueller Betätigung gewährt werden. Da Afghanistan die Genfer Konventionen mit unterschrieben hat, sollten diese Vorgaben auch für den Umgang mit den festgenommenen Taliban-Kämpfern gelten, argumentieren Völkerrechtler.
Erfüllten die Gefangenen nicht die Kriterien für eine solche Einteilung, so wären sie "Zivilpersonen" und damit ohnehin völkerrechtlich geschützt. Für eine Verurteilung oder Bestrafung wäre dann ein ordentlicher Gerichtsprozess notwendig. Auch stünde ihnen ein Rechtsbeistand zu.
Regelwerk gefordert
Durch die Behandlung der auf Kuba inhaftierten Gefangenen haben sich die USA bis heute der Kritik der Menschenrechtsorganisationen ausgesetzt. "Keine Gerichte, keine Anwälte, dazu die Aussicht auf zeitlich unbegrenzte Verwahrung in kleinen Zellen", das seien nicht die gebotenen Mittel, um Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zu verteidigen, ließ die Menschenrechtsorganisation amnesty international verlauten. Sorge bereiten auch die Selbstmordversuche. Allein in den vergangenen Wochen haben vier Insassen versucht, sich das Leben zu nehmen. Insgesamt gab es bereits 15 Versuche dieser Art.
Besonders undurchsichtig erscheint die Frage, mit welchen Begründungen die einzelnen Gefangenen in Guantanamo Bay festgehalten werden. Nach einem Bericht der "Los Angeles Times" hat man bei fast zehn Prozent der Insassen schon bei ihrer Ankunft gewusst, dass sie keinen Wert für die Ermittlungen haben werden. "Im Camp leben viele schuldige Menschen, aber auch viele harmlose Bauern", wird ein Offizier zitiert. Pannen in der Militärverwaltung und der Wunsch der Militärpolizei, unbequeme Personen aus Afghanistan herauszuschaffen, seien Gründe für die Einsperrung der mutmaßlich Unschuldigen. Das Pentagon ist sich unterdessen keiner Schuld bewusst. Man habe gewichtige Gründe für alle Festnahmen.
Neue Kapazitäten
Während sich in Kuba kaum etwas ändert, steht möglicherweise der nächste Krieg bevor. Sollten bei einem Angriff auf den Irak wieder eine Reihe von mutmaßlichen Terroristen festgenommen, ist dafür offenbar schon vorgesorgt: Kürzlich wurde die Kapazität von "Camp Delta" auf 1000 Insassen erweitert.