Stichwort: Was ist Ökumene?
12. Mai 2010Der Begriff der Ökumene ist abgeleitet vom altgriechischen Wort "oikein". Das bedeutet wörtlich übersetzt "die ganze bewohnte Erde". Das frühe Christentum umschrieb damit die gesamte Kirche. Aus diesem Grund gelten die ersten sieben Konzile auch als "ökumenische Konzile", weil es damals noch keine Abspaltung in verschiedene christliche Glaubensrichtungen gab.
Nach der Reformation entstanden evangelische Kirchen
Als sich die Kirche im 11. Jahrhundert in Ost- und Westkirche trennte - und nach der Reformation im 16. Jahrhundert evangelische Kirchen entstanden - bekam das Wort eine neue Bedeutung. Die Ökumene der Neuzeit meint zwar noch die weltweite Gemeinschaft der Kirchen, steht aber vor allem für die Bemühungen um die Einheit der getrennten Christen. Eine Zusammenarbeit gibt es vor allem in Bereichen, die kirchenrechtlich oder glaubensethisch unstrittig sind. In diesem Sinn kann Ökumene sogar als Erneuerungsbewegung verstanden werden. Sie möchte die unterschiedlichen Konfessionen wieder näher zueinander bringen.
Um das Ziel größerer Einheit zu erreichen, bildeten sich zunächst Interessensverbände verschiedener Kirchen innerhalb der Konfessionen. Im 19. Jahrhundert entstand die Internationale Evangelische Allianz. Dieser Zusammenschluss theologisch konservativer Christen repräsentiert heute nach eigenen Angaben mehr als 300 Millionen Gläubige aus 121 Ländern. 1910 gab die Weltmissionskonferenz im schottischen Edinburgh der Bewegung entscheidende Impulse.
Weltkirchenrat sitzt in Genf
Die moderne Ökumenebewegung einigte sich auf drei Hauptziele: Die Suche nach Einheit der Kirchen, die Verpflichtung zu Frieden und sozialer Gerechtigkeit sowie die Evangelisierung der Menschheit. 38 Jahre und zwei Weltkriege später wurde der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) - der Weltkirchenrat - mit Sitz in Genf gegründet. Im Vordergrund der Arbeit stand in den vergangenen Jahrzehnten der konzilliare Prozess der Kirchen für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Aktuell umfasst der Weltkirchenrat rund 350 reformatorische, orthodoxe und anglikanische Kirchen mit etwa 560 Millionen Christen. Die katholische Kirche ist kein ÖRK-Mitglied, hat aber einen Beobachter-Status und beteiligt sich an manchen Programmen. Sie nimmt seit Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) aktiv an der ökumenischen Bewegung teil. Außerdem führt sie eine Vielzahl von Dialogen mit orthodoxen und reformatorischen Kirchen.
Das herausragende Ereignis in der katholisch-evangelischen Ökumene war 1999 die Erklärung von Vatikan und dem Lutherischen Weltbund zur sogenannten Rechtfertigungslehre. Beide fanden einen gemeinsamen Nenner bei der theologischen Frage, wie der Mensch vor Gott bestehen kann. Der Streit über diese Frage hatte maßgeblich zur Kirchenspaltung im 16. Jahrhundert geführt.
Katholisches Dokument sorgt für Unverständnis
Für Verwirrung und Unverständnis sorgte nur knapp ein Jahr später das Dokument "Dominus lesus". Veröffentlicht vom damaligen Vorsitzenden der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, wird in dem Dokument eine Einzigartigkeit der katholischen Kirche betont und den reformatorischen Kirchen zugleich abgesprochen, dass sie Kirche im "eigentlichen Sinn" seien. Trotz heftiger Diskussionen über Jahre hinweg bestätigte Ratzinger, heute Papst Benedikt XVI., im Jahr 2007 mit seiner Unterschrift diese Haltung des Vatikans erneut in einem Dokument der Glaubenskongregation.
Ein Höhepunkt der ökumenischen Arbeit auf Bundesebene war der erste Ökumenische Kirchentag 2003 in Berlin. Initiiert von den konfessionellen Laienverbänden Deutscher Evangelischer Kirchentag und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken, bietet er Christen beider Konfessionen die Möglichkeit der Information, des Austauschs und des Kennenlernens.
Auch der zweite Ökumenische Kirchentag in München hat dieses Ziel. Die Auseinandersetzung mit Glauben und der Kirche stehen dabei ebenso im Fokus wie drängende Fragen aus Politik, Gesellschaft und der aktuellen Weltlage. Zudem soll dem Dialog der Religionen großen Raum gewährt werden.
Autor: Klaus Krämer
Redaktion: Marcus Bölz