Stichwort: Auflösung und Neuwahl des Bundestages
Gleichwohl hat es bisher zwei vorzeitige Bundestagswahlen gegeben. Den Weg dazu ebneten gescheiterte Vertrauensfragen des Bundeskanzlers, nach denen der Bundespräsident 1972 und 1983 das Parlament auflöste.
Der Weg führte immer über den Artikel 68 des Grundgesetzes. Dabei kommt dem Bundespräsidenten die Schlüsselrolle zu. Doch zunächst ist der Bundeskanzler am Zug, der im Bundestag die Vertrauensfrage stellen kann. Findet sein Antrag, ihm das Vertrauen auszusprechen, keine Mehrheit, kann der Bundespräsident den Bundestag auf Vorschlag des Bundeskanzlers innerhalb von 21 Tagen auflösen. Wird der Bundestag vorzeitig aufgelöst, muss die Neuwahl innerhalb von 60 Tagen stattfinden.
Das verfassungsrechtliche Problem besteht darin, dass der Bundeskanzler trotz einer gegebenen Mehrheit im Parlament das Misstrauensvotum geradezu anstreben muss. Etwa dadurch, dass Mitglieder der eigenen Fraktion dem Kanzler bei der entsprechenden Abstimmung die Stimme verweigern.
Dieses Vorgehen hat auch der CDU-Politiker Helmut Kohl gewählt. Nachdem der Oppositionsführer den amtierenden Bundeskanzler Schmidt (SPD) am 1. Oktober 1982 per konstruktivem Misstrauensvotum gestürzt und sich von CDU/CSU und FDP zum neuen Kanzler hatte wählen lassen, wollte er sich auch vom Volk legitimieren lassen. Deshalb stellte er am 17. Dezember 1982 die Vertrauensfrage im Bundestag - und scheiterte gewollt. An dieser Vorgehensweise entzündete sich juristischer Unmut: Ein gerade legal ins Amt gekommener Kanzler lässt sich per Vertrauensfrage stürzen. Nach einer für Kohl positiven Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - wenn auch nur mit großen Bedenken - konnten aber am 6. März 1983 Neuwahlen zum Bundestag stattfinden.