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Musik

Steven Tyler wird 75

26. März 2023

Der quirlige Frontmann der Rockgruppe Aerosmith hat in seinem Leben nichts ausgelassen. Zu seinem 75. Geburtstag muss Tyler sich mit den Folgen seiner Drogensucht und einer Klage auseinandersetzen.

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Steven Tyler tobt auf der Bühne und umfasst einen Mikrofonständer, der mit bunten Tüchern behangen ist.
Steven Tyler im September 2022 in Las VegasBild: Winslow Townson/Invision/AP/picture alliance

Mit Rocksongs wie "Walk This Way" und "I Don't Wanna Miss A Thing" feierten Aerosmith weltweit Erfolge und füllten bis zuletzt mit ihren Shows große Hallen. Ganz vorne: Steven Tyler, ein 1,60 Meter-Typ mit einem großen Mund, einer langen braunen Mähne und buntem Outfit. Wie ein Harlekin wuselt er auf der Bühne herum, und seine kräftige Stimme, die er über mehrere Oktaven bis hin zum hohen Schrei erheben kann, brachte ihm den Spitznamen "Demon of Screamin" ein. Am 26. März 2023 wird Tyler 75 Jahre alt.

Das magische Element des Rock

Anfang der 1970er-Jahre gründete Tyler mit seinem Freund und Kollegen Joe Perry die Band Aerosmith. Das "Zwei Jungs"-Modell wie bei Mick Jagger und Keith Richards von den Rolling Stones oder John Lennon und Paul McCartney von den Beatles gefiel Tyler und Perry - galt es doch als magisches Element des Rock. Tyler soll gesagt haben, dass sie anfangs gar nicht besonders ehrgeizig waren. "Wir wollten nur die Größten sein."

Und so erschien im Januar 1973 das Debüt-Album "Aerosmith" - darauf schon ein erster Klassiker: "Dream On". Diese Platte war zwar noch nicht der Chartbreaker, ging aber in die richtige Richtung. 1975 kam mit "Toys In The Attic" dann das Album raus, das die Band in die Stadien katapultierte. Unvergessen: die funky Nummer "Walk This Way". 

Drugs & Rock'n'Roll

Steven Tyler verstand es schon immer, die Bühne für sich einzunehmen. Ein etwas androgyner, provokanter Typ, der seinen Mikroständer wie einen Taktstock herum schwang und dem Publikum mit seinen engen geschnürten Overalls weiche Knie bescherte. Oft wurde er in die Menge gezerrt - irgendwann ließ die Band ein spezielles Gitter zwischen Bühne und Fans aufstellen.

Steven Tyler singt in ein Mikrofon.
Steven Tyler 1993Bild: Rudi Keuntje/Geisler-Fotopress/picture alliance

Die 1970er-Jahre waren für Aerosmith ein einziger Weg nach oben auf der Karriereleiter. Mit dabei: viele, sehr viele Drogen. Schon mit 16 Jahren hatte Tyler Marihuana geraucht, später kamen Alkohol und Kokain dazu. Das Leben eines Rock'n'Rollers lebte Tyler voll aus - mit allen Exzessen, die dazugehörten. Er habe damals über eine Million Dollar für Drogen ausgegeben, sagte er in einem Interview.

Spitzname "Toxic Twins"

Die Drogen waren es auch, die der Band, die damals zu den erfolgreichsten Rockgruppen zählte, stark zusetzten. Tyler und Perry wurden "Toxic Twins" genannt - die Rauschgift-Zwillinge. In einem Interview mit dem deutschen Magazin "Spiegel-Online" sagte Tyler 2017: "Wir haben nichts ausgelassen in Sachen Sex and Drugs. Letztlich waren es in fast 50 Jahren Bandkarriere nur knapp zehn wirklich 'giftige' Jahre - aber die hatten es in sich. Ich habe überlebt, weil Aerosmith schon lange mein einziges Suchtmittel ist, sonst wäre ich heute nicht mehr hier. Musik ist die beste Droge: Der Rausch vergeht, die Lieder bleiben."

Die Band Aerosmith an ihren Instrumenten als Trickfilmfiguren.
Geadelt durch einen Auftritt in der Zeichentrickserie "The Simpsons"Bild: 20th Century Fox Film Corp./Everett Collection/picture alliance

Anfang der 1980er kam die große Krise. Die Band zerstritt sich, Joe Perry und Gitarrist Brad Whitford verließen die Band. 1985 rauften sich alle wieder zusammen. Entgiftet und mit neuen Ideen nahmen sie ihr Comeback-Album auf - das floppte. Bis die Platin-Rapper von Run DMC kamen und "Walk this Way" 1986 zusammen mit Aerosmith, begleitet von einem genial-witzigen Musikvideo, zu einem Megahit machten. Den Erfolg nahm die Band mit.

Es ging wieder in die Stadien, und plötzlich entstanden auch wieder Hits. Der Musikvideo-Boom in den 1990ern beförderte ihren Erfolg - so wie auch anderen Bands und Musikern zu jener Zeit. Es gab Grammys und Platin, jedes Album war ein Top Ten-Erfolg. 2012 erschien mit "Music from Another Dimension" das letzte Aerosmith-Album. Tylers einziges Soloalbum "We're All Somebody from Somewhere" kam 2016 heraus, 2017 gaben Aerosmith eine lange Abschiedstour mit dem Titel "Aero-Viderci Baby!" Doch dabei blieb es nicht - Aerosmith tourten weiter. Allerdings mussten im Juli 2022 aufgrund eines Drogenrückfalls Konzerte abgesagt werden - nachdem diese im September dann erfolgreich nachgeholt wurden, kam es im Dezember aufgrund von Tylers schlechtem Gesundheitszustand zu weiteren Absagen. Zurzeit sind keine weiteren Gigs geplant.

Missbrauchsvorwürfe gegen Tyler

Steven Tylers Leben war auch privat turbulent. Das Chaos begann mit seinem Verhältnis zur minderjährigen Julia Holcomb - er war 27 und sie war 16, als sie sich kennenlernten. Tatsächlich adoptierte er mit dem Einverständnis ihrer Mutter das Mädchen, damit sie ihn auf Konzertreisen begleiten konnte. Sie wurde schwanger, doch Tyler nötigte sie im fünften Monat zu einer Abtreibung - was er sich nie verziehen haben soll. Offen und ehrlich schrieb er über diese Beziehung in seiner Autobiografie "Does the noise in my head bother you?" ("Stört dich der Lärm in meinem Kopf?", 2012).

Dies wird ihm möglicherweise jetzt zum Verhängnis - denn jetzt - ein halbes Jahrhundert später - hat Julia Holcomb Klage wegen sexuellen Missbrauchs gegen Tyler eingereicht. Ein Gericht in Kalifornien hat eine entsprechende Verjährungsfrist für den sexuellen Missbrauch Minderjähriger vorübergehend ausgesetzt. Das Verfahren läuft noch.

Ein heimliches Kind

Tylers turbulentes Privatleben setzte sich nach der drei Jahre andauernden Beziehung mit Holcomb fort. Er lernte die Sängerin und Playboy-Model Bebe Buell kennen. Sie hatten eine kurze Affäre, aus der Tochter Liv hervorging, die später als Schauspielerin ("Herr der Ringe") Karriere machte.

Lange verheimlichte Tyler seine Vaterschaft. Liv glaubte, sie sei die Tochter von Rockmusiker Todd Rundgren, der damals mit Bebe Buell liiert war. Rundgren nahm die Vaterschaft an, denn Tyler war aufgrund seiner Drogensucht nicht fähig, ein Kind aufzuziehen. Die beiden machten einen Deal: Sie würden Liv an ihrem 18. Geburtstag sagen, wer ihr richtiger Vater ist. 

Steven und Liv Tyler in einer Menschenmenge
Steven und Liv Tyler: erfolgreiche ZusammenarbeitBild: Band Photo/Photoshot/Picture-Alliance

Nachdem sie allerdings bereits mit elf die Wahrheit herausfand, begannen sie und Steven eine medienwirksame Vater-Tochter-Beziehung. Tyler baute Liv in das Aerosmith-Musikvideo "Crazy" von 1994 ein, und 1998 war sie im Video zu Aerosmith's "I Don't Want To Miss A Thing" zu sehen - dem Soundtrack des Blockbusters "Armageddon", wo Liv die weibliche Hauptrolle spielte. Aus zwei späteren Ehen gingen zwei weitere Töchter und ein Sohn hervor.

Schauspielerei und Engagement

Neben seiner Karriere als Musiker trat Tyler auch im Fernsehen und im Kino auf, so unter anderem in "Wayne's World 2", "Be Cool" und "Two and a Half Men". Zudem war er Jurymitglied bei der Show "American Idol".

Musiker der Band Aerosmith auf der Bühne.
Aerosmith im September 2022 auf der BühneBild: Winslow Townson/Invision/AP/picture alliance

2006 gab Steven Tyler bekannt, eine drei Jahre währende Hepatitis-C-Erkrankung überstanden zu haben. Seither engagiert er sich für die Aufklärung rund um die gefährliche Leberentzündung. Er unterstützt auch "Sea Shepherd", eine internationale Meeresschutzorganisation zum Erhalt der Artenvielfalt und des marinen Ökosystems. 2014 setzte sich Tyler für bessere Haltungsbedingungen für Schweine und Rinder ein.

In der Musikzeitschrift Rolling Stone wurde Tyler 2008 auf Rang 99 der 100 besten Sänger aller Zeiten gelistet, zusammen mit Aerosmith landete er auf Rang 59 der besten Musiker aller Zeiten. Dass er in die Jahre gekommen ist, stört ihn offenbar wenig. Schon zu seinem 70. Geburtstag im März 2018 sagte er dem "Spiegel": "70 ist schon ok. Das Gute daran: Ich werde mein Leben lang jünger als Mick Jagger sein." Mick Jagger ist vier Jahre älter.

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Silke Wünsch Redakteurin, Autorin und Reporterin bei Culture Online