Steinmeier würdigt Moskauer Menschenrechtler
25. Oktober 2017Zum Auftakt seiner ersten Reise als Bundespräsident nach Russland nahm sich Frank-Walter Steinmeier viel Zeit für Gespräche über die politische Entwicklung des Landes, insbesondere über die Menschenrechtslage. Rund eine Stunde lang widmete er sich der Arbeit des Menschenrechtszentrums "Memorial". An dessen Hauptsitz in Moskau würdigte der Bundespräsident das jahrzehntelange Engagement der Gruppe. Allen Mitarbeitern und Unterstützern gebühre "Dank und Anerkennung", sagte Steinmeier bei einem Gang durch das Archiv der Organisation, in dem Briefe und Dokumente von Opfern politischer Verfolgung ausbewahrt werden (Artikelfoto).
Solidarität mit NGOs
Der Bundespräsident zeigte sich besorgt über das umstrittene NGO-Gesetz, mit dem Russland vom Ausland unterstützte Nichtregierungsorganisationen als "ausländische Agenten" einstuft. Auch "Memorial" ist von dem 2012 in Kraft getretenen Gesetz betroffen. Die Organisation war Ende der 1980er Jahre zur Aufarbeitung der politischen Verfolgung in der Sowjet-Ära insbesondere unter Josef Stalin gegründet worden. "Memorial" engagiert sich auch für den Schutz der Menschenrechte im heutigen Russland.
Mit dem ehemaligen sowjetischen Präsidenten und Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow sprach Steinmeier über Wege zu einer Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen gesprochen. "Er hat mir noch einmal mit auf den Weg gegeben: Das einzige, was hilft, ist reden - auch über das, was schwierig ist", sagte er nach dem einstündigen Treffen in der Residenz des deutschen Botschafters in Moskau.
Appell zur Versöhnung
Angesichts der aktuellen Spannungen habe Gorbatschow "nachdrücklich" daran erinnert, dass Deutschland und Russland nach Krieg, Leid und Elend im 20. Jahrhundert Wege zueinander gefunden hätten. Die Aufforderung von Gorbatschow, dieses Erbe nicht zu verspielen, sei "eine, die nicht ungehört bleiben sollte", so Steinmeier.
Steinmeier, erster Bundespräsident auf Russland-Besuch seit sieben Jahren, wollte die schwierige Menschenrechtslage auch bei dem Treffen mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin ansprechen. In einem Interview mit der russischen Zeitung "Kommersant" sagte der Bundespräsident, dass Deutschland "der schrumpfende Handlungsspielraum für zivilgesellschaftliche Organisationen und die künstlerische Freiheit in Russland" Sorgen bereite.
Wiederannäherung jetzt?
"Ich komme in Zeiten, in denen die deutsch-russischen Beziehungen schwierig geworden sind", sagte er vor Journalisten. "Ich empfinde es auch als meine Verantwortung, meinen Beitrag dazu zu leisten, dass das nicht auf ewig so bleibt." Der Bundespräsident will nach eigenen Angaben ausloten, welche Perspektive Putin für eine Wiederannäherung seines Landes an Deutschland und Europa sieht. Dabei will er zum Beispiel auch Konflikte wie die Ukraine-Krise nach der Krim-Annektion offen ansprechen.
Im Sinne der Reformation
Die Moskau-Visite wird in Berlin offiziell als Arbeits- und nicht als Staatsbesuch bezeichnet. Als Hauptanlass wird die Rückgabe der Kathedrale St- Peter und Paul an die Evangelisch-Lutherische Kirche in Russland genannt, eine Geste zum 500. Reformationsjubiläum, das in diesem Jahr begangen wird.
Steinmeier nahm an der Übergabezeremonie gemeinsam mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, teil. Er dankte Putin für seine Unterstützung "und die schöne Geste". Vielleicht könne "die Errungenschaft der Reformation, die Entdeckung der Würde des Individuums vor Gott, ja, auch ihr Freiheitsversprechen, das wir in diesem Jahr feiern, Anlass sein, uns wieder und neu zu begegnen", sagte der Bundespräsident.
SC/sam (epd, afp, KNA, dpa)