1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Steinmeier will eine politische Lösung

Gero Schließ, New York2. Oktober 2015

Der Syrien-Konflikt und die Flüchtlinge bestimmten die Agenda von Außenminister Steinmeier bei der UN-Vollversammlung. Er attackierte Russland, doch es gibt auch Differenzen mit den USA. Aus New York Gero Schließ.

https://p.dw.com/p/1GhTa
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier vor der UN-Vollversammlung in New York (Foto: AFP/Getty Images/J. Samad)
Bild: AFP/Getty Images/J. Samad

Gleich zum Auftakt seiner New-York-Reise hatte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier einen sorgenvollen Ton angeschlagen, der sich in den folgenden Tagen noch weiter verdüstern sollte: 70 Jahre nach Gründung der Vereinten Nationen sei das eine Generalversammlung, "bei der es wenig Grund zum Feiern gibt".

Dafür seien die Herausforderungen, die die Welt vor eine harte Probe stellten, viel zu groß, so der Minister bei seinem ersten Kontakt mit den deutschen Medien in New York: "Wir haben nicht nur eine weltweite Flüchtlingskrise unbekannten Ausmaßes, sondern eine Syrien-Krise, die droht, den ganzen Mittleren Osten ins Chaos zu stürzen." Damit hatte Steinmeier nicht nur die beiden Top-Themen der UN-Vollversammlung angesprochen, sondern auch die derzeitigen Prioritäten der deutschen Politik benannt, die durch nichts stärker getrieben wird als durch den Ansturm syrischer Flüchtlinge.

Es überraschte deshalb nicht, dass die Flüchtlingskrise und der Syrien-Konflikt auch Steinmeiers Rede vor der UN-Vollversammlung dominierten. "Deutschland und Europa sind massiv unter Druck wegen der Flüchtlingskrise. Das beeinflusst die deutsche Außenpolitik so stark, dass das den großen und zentralen Teil seiner Rede ausmachte", analysiert Michael Werz, Deutschland-Experte vom Thinktank Center for American Progress, im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Kritik an Russland

Wenige Stunden nach der zweiten russischen Bombardierungswelle in Syrien übte Steinmeier vor der UN-Vollversammlung deutliche Kritik an Moskau. Er sprach von einer "einsamen Entscheidung Einzelner, zuletzt Russlands, nun auch direkt militärisch in Syrien einzugreifen". Stattdessen forderte er den "politischen Einsatz Russlands für eine Transformation Syriens". Der Außenminister befürchtet angesichts der militärischen Aktionen Russlands eine brandgefährliche Eskalation des Konflikts.

Außerdem scheint man in Berlin eine einfache Rechnung aufzumachen: Jeder neue Bombenangriff treibt weitere Menschen aus Syrien direkt nach Europa. Steinmeier stellte heraus, dass Deutschland seit Jahresbeginn 600.000 Flüchtlinge aufgenommen habe und jeden Tag 10.000 neue Flüchtlinge hinzukämen. Doch fügte er hinzu, dass die Deutschen dies nicht alleine schultern könnten, sondern auf Kooperation mit den europäischen Staaten angewiesen seien. Dabei nannte er als einzigen Staat die Türkei beim Namen.

Zerstörung nach russischem Luftangriff in der syrischen Stadt Tabiseh (Foto: AFP/Getty Images/Mahmoud Taha)
Mehr Bombenangriffe bedeuten mehr Zerstörung und mehr FlüchtlingeBild: Getty Images/AFP/M. Taha

Man könne an dieser Stelle der Rede herauslesen, dass "Europa sich eventuell erpressbar fühlt wegen der zwei Millionen Flüchtlinge die noch in der Türkei sind", so Michael Werz. Die Türkei soll denn auch nach Steinmeiers Willen von den zusätzlichen 1,8 Milliarden Euro profitieren, die er und andere am Rande der UN-Vollversammlung zusammengebracht hatten, um die aus seiner Sicht unterfinanzierten Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen besser auszustatten.

Eckpunkte für Syrien

Den Schwerpunkt seiner Rede legte Steinmeier auf politische Lösungsansätze für die Syrien-Krise. Dafür nannte er Eckpunkte, auf die sich alle Akteure einigen müssten: die territoriale Einheit Syriens und Verhältnisse, in denen "alle ethnischen und religiösen Gruppen friedlich miteinander leben können".

Das sei frommes Wunschdenken eines Landes, das im Nahost-Konflikt kein Player sei, kritisiert Michael Werz Steinmeiers Vision. Für die USA sei hingegen klar, dass es sich in Syrien um einen "Stellvertreterkrieg" handelt, in dem die gewalttätige Durchsetzung der Interessen einzelner Ethnien und Religionsgruppen "sehr wohl Teil einer Strategie ist".

Uneins bei Assad

Hinter den Kulissen wurde in New York weiter darüber gestritten, ob es für den syrischen Diktator Baschar al-Assad eine Zukunft geben kann. Während Russlands Staatschef Wladimir Putin unverbrüchlich an ihm festzuhalten scheint, sieht US-Präsident Barack Obama nur eine Friedenslösung nur ohne Assad. Deutsche und Europäer könnten jedoch nicht zuletzt unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise kompromissbereiter sein.

Syrischer Machthaber Baschar al-Assad (Foto: picture alliance/dpa/Syrian Arab News Agency)
Welche Rolle soll Syriens Machthaber Assad bei den Friedensbemühungen spielen?Bild: picture alliance/dpa/Syrian Arab News Agency

"Nach den relativ deutlichen Äußerungen der Kanzlerin, dass man unter Umständen mit Assad reden muss, hat der Außenminister nicht gesagt, dass man die Assad-Diktatur beenden muss, sondern dass man die Brutalität der Assad-Diktatur beenden muss", betont Michael Werz den feinen Unterschied. "Das lässt die Alternative offen, dass man hier offensichtlich einen Verhandlungspartner sieht." Die Position der USA habe sich auch nach den russischen Luftschlägen nicht geändert: "Es gibt keine Zukunft für Assad, selbst wenn Russland durch verschiedene Aktivitäten versucht, den Spieleinsatz zu erhöhen."

Obama und Putin

Während seines New-York-Aufenthalts war Steinmeiner unablässig in die Krisendiplomatie um Syrien eingebunden. Die russischen Angriffe haben nach seiner Einschätzung die Aussichten für eine Verhandlungslösung "jedenfalls nicht verbessert", wie er Journalisten schon nach dem ersten Luftschlag der Russen sagte. Er hoffe, dass "nicht alle Türen zugeschlagen sind, die in den letzten Tagen mühsam geöffnet worden sind, auch in den Gesprächen zwischen Präsident Obama und Präsident Putin", so der Außenminister. Und dann hebt er - wie später dann auch in seiner Rede vor der UN-Vollversammlung - den Primat der Diplomatie hervor: "Wir müssen jetzt den Einstieg in einen politischen Prozess finden." Dazu brauche man die USA und Russland, aber auch Saudi-Arabien, den Iran und die Türkei. Auch Europa könne "hilfreich sein". Steinmeier schwebt vor, die Basis für Friedensgespräche nach dem Vorbild der 5+1-Gespräche mit dem Iran zu verbreitern und vor allem Syriens Nachbarn mit einzubinden.

Doch ohne einen funktionierende Kommunikation zwischen Russland und den USA wird es nicht gehen. Man müsse abwarten, wie sich die Russen in den nächsten Tagen und Wochen verhalten, sagt Michael Werz mit Verweis auf das Kooperationsangebot, das US-Präsident Obama dem russischen Präsidenten in seiner Rede vor der UN-Vollversammlung machte. "Der Ball liegt im Feld von Wladimir Putin."

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen