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Zu wenig Fortschritt in der Ukraine

4. März 2016

Der deutsche Chefdiplomat war sauer: Die Friedensgespräche zwischen der Ukraine und Russland brachten in Paris keinen Fortschritt. Es fehle ernsthaftes Bemühen auf beiden Seiten. Bernd Riegert aus Paris.

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Frank-Walter Steinmeier Bundesaußenminister Ukraine Friedenskonferenz Paris Frankreich
Bild: DW/M.Hofmann

Riesige kristallene Lüster an der Decke, schwere Gobelins an den Wänden, überall Stuck, Marmor, Gold: Das Pariser Außenministerium "Quai d'Orsay" am Ufer der Seine, nicht weit vom Eifelturm und der Prachtstraße "Champs Elysees", bietet einen feierlichen Rahmen für die Ukraine-Gespräche. Doch die mageren Ergebnisse der Verhandlungen zwischen der Ukraine, Russland, Frankreich und Deutschland passten am späten Donnerstagabend nicht zum pompösen Rahmen. Entnervt und verärgert erklärte einer der Vermittler, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, er sei enttäuscht. "Ich bin nicht zufrieden, wie Moskau und Kiew die Verhandlungen betreiben. Ich befürchte, es wird nicht mit dem richtigen Ernst gesehen." Keine Fortschritte habe es bei der Vorbereitung von lokalen Wahlen in den Separatistengebieten in der Ostukraine gegeben. Nach wie vor seien grundlegende Fragen nicht geklärt, obwohl darüber schon 30-mal verhandelt worden sei. "Es geht auch um die Glaubwürdigkeit des Minsk-Prozesses", zürnte Steinmeier. In Minsk war vor 13 Monaten ein Friedensplan für die Ukraine von den Staats- und Regierungschefs vereinbart worden.

Relativ gelassen nimmt der russische Außenminister Sergej Lawrow die neuerliche Runde im sogenannten Normandie-Format. Ein kurzer Gruß für die Kameras, ansonsten öffentliches Schweigen.

Die Normandie-Runde heißt so, weil sie während der Ukraine-Krise beim Gedenken der Staats- und Regierungschefs an die Normandie-Invasion im Zweiten Weltkrieg 2014 spontan erfunden wurde.

Gruppenbild Ukraine Friedenskonferenz Paris Frankreich
Harmonie nur fürs Gruppenfoto: Lawrow, Klimkin, Ayrault und Steinmeier (v.l.n.re.)Bild: Reuters/J.Naegelen

Russland kann entspannt abwarten

Der russische Außenminister Sergej Lawrow, dessen Land die Krim besetzte und für den Ausbruch des Bürgerkrieges in der Ostukraine verantwortlich gemacht wird, könne einfach abwarten, meinen EU-Diplomaten, die mit den Ukraine-Gesprächen vertraut sind. "Lawrow verhandelt aus einer Position der Stärke heraus, weil Russland seine Ziele im Ukraine-Konflikt erreicht hat", so die Meinung der Beobachter. Er muss nur zusehen, wie sich die ukrainische Führung gerade selbst zerlegt. Präsident und Regierungschef in Kiew sind tief zerstritten. Das Land steht wirtschaftlich und politisch einen Schritt vom Abgrund entfernt. Ministerpräsident Arsenij Jarzenjuk versicherte aber, er könne noch mindestens sechs Monate weiter regieren bis zum nächsten möglichen Misstrauensvotum im Parlament.

Der neue französische Außenminister Jean-Marc Ayrault wollte neuen Schwung in die Friedensgespräche bringen. Fast als erste Amtshandlung hatte er mit seinem deutschen Kollegen noch vor zehn Tagen die Ukraine besucht und die Führung in Kiew ins Gebet genommen. Dabei habe man zwar immer Bekenntnisse zum Minsker Friedensprozess vernommen, sagte Steinmeier in Paris. "Gleichzeitig sind wir Zeuge davon geworden, wie sehr die innenpolitischen Turbulenzen in Kiew uns im Augenblick an Fortschritten hindern."

Friedensplan wurde bisher nicht erfüllt

Von den 13 Minsker Punkten ist keiner wirklich umgesetzt worden. Die Ukraine auf der einen Seite und die russischen Separatisten mit ihrer russischen Schutzmacht auf der anderen werfen sich gegenseitig vor zu blockieren. So könne es nicht weitergehen, hielt Bundesaußenminister Steinmeier seinem ukrainischen Kollegen Pavlo Klimkin und dem russischen Minister Lawrow vor. "Es ist jetzt nicht mehr die Situation, wo Lippenbekenntnisse zum Minsker Abkommen ausreichen. Es ist keine Zeit für Appelle, sondern wir müssen jetzt vorankommen."

In Paris berieten die vier Minister bei einem guten französischen Abendessen vor allem über das Wahlgesetz, das lokale Wahlen in den Separatistengebieten im Donbass ermöglichen soll. Hier gab es nach Angaben des ukrainischen Außenministers Pavlo Klimkin nach der Sitzung keine Annäherung. "Leider war Russland nicht bereit, über einzelne Vorschläge zu sprechen", so Klimkin. Trotzdem sei man überein gekommen, dass die Wahlen bis zum Juli abgehalten werden sollen, berichtete der französische Außenminister Ayrault. Der ukrainische Außenminister bestand darauf, dass Wahlen erst stattfinden könnten, wenn das Separatistengebiet befriedet sei und Sicherheit für Kandidaten, Parteien und Wähler garantiert werden könne. Er warf Russland vor, es halte Tausende Menschen als Geiseln im Separatistengebiet gefangen.

Ukraine Konflikt Frontlinie im Gebiet-Donezk

Brüchige Waffenruhe

Man könne mit der Entwicklung der Ukraine nicht zufrieden sein, mahnte Bundesaußenminister Steinmeier. Es sei "dringend", dass etwas geschehe. Selbst die Grundlage für einen politischen Prozess, nämlich ein Waffenstillstand, scheint nicht gegeben zu sein. "Die Waffenruhe in der Ostukraine ist nach wie vor brüchig. Wir haben sogar in den letzten Tagen mehr Verletzungen des Waffenstillstandes erlebt. Die Verminung in der Ostukraine ist nach wie vor Ursache für viele Verletzungen und auch verantwortlich dafür, dass sich humanitäre Hilfe vor Ort gar nicht organisieren lässt."

Wer die Waffenrufe verletzt, ist unklar, beide Seiten beschuldigen sich gegenseitig. Eine Überprüfung der Angaben ist nur schwer möglich, weil die Beobachter der "Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" (OSZE) anders als vereinbart keinen freien Zugang zu den fraglichen Gebieten haben. Auch die Kontrolle der Grenze zwischen den Rebellengebieten und Russland ist der OSZE-Mission immer noch nicht möglich. Zufällig ist der deutsche Außenminister in diesem Jahr turnusmäßig auch Vorsitzender der OSZE. Das sollte Frank-Walter Steinmeier bei den Vermittlungsbemühungen noch stärkeres Gewicht geben, hoffen einige Diplomaten.

Ost-Ukraine: Kein Frieden in Sicht

Trotz allem weitermachen?

Der ukrainische Außenminister Pavlo Klimkin musste in Paris viel Kritik einstecken, unter anderem auch deshalb, weil die Ukraine mit einer zugesagten Reform der Verfassung, die den Regionen mehr Autonomie und den Separatistengebieten einen Sonderstatus einräumen soll, nicht vorankommt.

Diese Punkte aus dem Minsker Friedensfahrplan, über die in Paris nur am Rande gesprochen wurde, seien im Moment nicht umzusetzen, sagte Vlodomyr Poselsky von der Vereinigung "Die Ukraine in Europa" der Deutschen Welle. "Politisch steckt man in einer Sackgasse. Die Verhandlungsparteien wollen nur noch ihr Gesicht wahren", meinte der Ukraine-Spezialist in Paris. Der Dialog mit Russland solle auf jeden Fall aufrecht erhalten werden. Russland wiederum hat Interesse daran, die Wirtschaftssanktionen der EU wieder loszuwerden.

Auch wenn die Fortschritte minimal sind, will Bundesaußenminister Steinmeier an den Normandie-Gesprächen und den Arbeitsgruppen von Experten, die in Minsk tagen, festhalten. "Wir werden nichts unversucht lassen, diesen Prozess fortzusetzen, aber es bleibt schwierig." Es gebe keine Alternative, so Steinmeier.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker versetzte bei einem Auftritt in Den Haag am Donnerstagabend ukrainischen Hoffnungen auf einen Beitritt zur Europäischen Union einen argen Dämpfer. Das werde in den nächsten 20 oder 25 Jahren nicht geschehen. Das gelte wahrscheinlich auch für einen Beitritt zur Militärallianz NATO, so Juncker. Die Russen, die den prowestlichen Kurs der Ukraine untergraben wollen, wird es freuen.