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Politik

Steinmeier bestellt türkischen Gesandten ein

4. November 2016

Nach den Festnahmen führender Politiker der prokurdischen HDP hat Außenamtschef Steinmeier den türkischen Geschäftsträger zum Gespräch gebeten. Ungewohnt scharf zur Lage in der Türkei äußert sich Bundespräsident Gauck.

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Luxemburg  Frank-Walter Steinmeier beim EU Außenministertreffen
Frank-Walter Steinmeier spricht von einer weiteren drastischen Verschärfung der Lage Bild: picture-alliance/dpa/J. Warnand

Steinmeier: Türkei muss über ihre Zukunft entscheiden

Das Gespräch mit dem türkischen Gesandten findet noch an diesem Freitag im Auswärtigen Amt in Berlin statt. Die nächtlichen Festnahmen von Politikern und Abgeordneten der kurdischen Partei HDP sind aus Sicht von Außenminister Frank-Walter Steinmeier eine weitere drastische Verschärfung der Lage. Niemand bestreite das Recht der Türkei, der Bedrohung durch den Terrorismus entgegenzutreten und den Putschversuch vom Juli mit rechtsstaatlichen Mitteln aufzuarbeiten, sagte Steinmeier. "Das darf aber nicht als Rechtfertigung dafür dienen, die politische Opposition mundtot zu machen oder gar hinter Gitter zu bringen", betonte er.

Gerade wegen der historisch engen Beziehungen zwischen den Staaten und der freundschaftlichen Verbindungen zwischen den Menschen beider Länder dürfe Deutschland jetzt nicht schweigen, heißt es weiter. Der türkischen Regierung müsse deswegen unverzüglich die Haltung der Bundesregierung mitgeteilt werden.

Kanzlerin Angela Merkel bewertete das jüngste Vorgehen in der Türkei gegen Presse und Opposition nochmals als "in höchstem Maße alarmierend". Regierungssprecher Steffen Seibert sagte weiter, die Bundesregierung stehe den Festnahmen "ablehnend und missbilligend" gegenüber. Zugleich verurteilte der Sprecher im Namen der Bundesregierung den neuen Anschlag in in der südosttürkischen Stadt Diyarbakir.

Demokratischer Rechtsstaat außer Kraft 

Ungewohnt deutlich meldet sich auch Bundespräsident Joachim Gauck zu Wort. In einem Interview des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" sieht Gauck mit dem Verhalten der türkischen Führung unter Präsident Recep Tayyip Erdogan zentrale Grundlagen eines demokratischen Rechtsstaates außer Kraft gesetzt. Er frage sich, ob diese Politik die endgültige Abkehr vom Weg in Richtung Europa bedeute, sagte Gauck weiter. Das deutsche Staatsoberhaupt spricht von "einer Eskalation, die die Europäer nicht unbeantwortet lassen können".

Türkei Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag
Die in der Nacht festgenommenen HDP-Parteichefs Selahattin Demirtas (l.) und Figen Yüksekdag (Archivbild) Bild: picture-alliance/dpa/S. Suna

Türkei auf dem Weg in eine Diktatur

Zu scharfen Reaktionen rufen die Grünen auf. Nötig seien jetzt starke gemeinsame Signale Richtung Ankara, betonte Parteichef Cem Özdemir vor Journalisten in Berlin. "Ich schlage vor, dass alle demokratischen Parteien, die im Bundestag vertreten sind, gemeinsam agieren." Er forderte die Bundesregierung auf, den deutschen Botschafter in Ankara zu Konsultationen nach Berlin zurückzubeordern als Zeichen gegen das Vorgehen der Sicherheitsbehörden gegen die parlamentarische Opposition. Die Türkei sei auf dem Weg in eine Diktatur, warnte er.

Bundeswehreinsatz in Incirlik auf dem Prüfstand 

Zudem müsse die Bundeswehr unter diesen Umständen vom türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik abgezogen werden, forderte der Grünen-Chef. Wenn das Land sich so dramatisch verändere, dass nicht mehr von einer Demokratie gesprochen werden könne, "dann finde ich nicht, dass Soldaten eines demokratischen Landes dort noch richtig aufgehoben sind". Im südtürkischen Incirlik sind deutsche Aufklärungsjets und ein Tankflugzeug samt Besatzungen stationiert. Sie unterstützen die von den USA angeführte Koalition im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) in Syrien.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini zeigte sich bestürzt über das Vorgehen der türkischen Justiz gegen Abgeordnete der oppositionellen HDP. Sie sei "äußerst beunruhigt" angesichts der Festnahme des Parteichefs Selahattin Demirtas und anderer Parlamentarier, teilte die Italienerin über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Mogherini berief ein EU-Botschaftertreffen in Ankara ein.

se/sti (AA, dpa, afp, rtr ap)