Steigender Meeresspiegel: Muss der Mensch dem Meer weichen?
Von Asien bis Amerika: Weltweit steigt der Meeresspiegel durch den menschengemachten Klimawandel. Welche Regionen sind besonders gefährdet - und wie gehen die betroffenen Länder mit der Bedrohung um?
Tuvalu: Vertreibung aus dem Paradies
Weit abgelegen im Südpazifik liegt Tuvalu - noch. Fachleute befürchten, dass das Archipel komplett im Meer versinken könnte: Laut Weltklimarat (IPCC) steigt der Meeresspiegel in Folge des Klimawandels in diesem Jahrhundert um bis zu einen Meter - fatal für das flache Tuvalu. Das Land hat ein Abkommen mit Australien geschlossen, demzufolge jährlich 280 Tuvaluer dorthin auswandern können.
Malediven: Auf Sand gebaut
Die Malediven sind das niedrigste Land der Welt - und könnten das erste sein, das aufgrund des steigenden Meeresspiegels verschwindet. Rund um die Hauptstadtinsel Malé, eine der am dichtesten besiedelten Regionen der Welt, wird deshalb Sand aufgeschüttet. So entstand auch die hier zu sehende künstliche Insel Hulhumale: Sie soll der Bevölkerung Zuflucht bieten, wenn Malé überspült wird.
Fidschi: Traurige Tropen
Experten schätzen, dass bis Ende des Jahrhunderts weltweit 630 Millionen Menschen vom Anstieg des Meeresspiegels unmittelbar betroffen sein könnten. Für Inselstaaten ist das verheerend: Nicht nur Tuvalu, auch Kiribati, Tonga oder Samoa könnten innerhalb weniger Jahrzehnte im Meer verschwinden, die Bevölkerungen heimatlos werden. Hier auf Fidschi wären mehr als 600 Gemeinden zum Umzug gezwungen.
Indonesien: Hauptstadt unter Wasser
In Asien steigt der Meeresspiegel schneller als im globalen Durchschnitt und bedroht die Ballungszentren an den Küsten. Indonesien zog daraus bereits Konsequenzen und verlegte die Hauptstadt von Jakarta, dessen Skyline hier über den Wellen schimmert, ins höher gelegene Borneo. 40 Prozent Jakartas liegen unter dem Meeresspiegel. Bis 2050 könnte der Norden der Metropole komplett unter Wasser stehen.
Bangladesch: Ungünstige Gesamtlage
Fischen mitten in der Stadt: Seine Lage am Golf von Bengalen im Mündungsdelta mehrerer großer Flüsse macht Bangladesch anfällig für Überschwemmungen. Der Meeresspiegel-Anstieg verschärft die Lage: Er trifft alle Küstenregionen der Erde, doch am härtesten Staaten, die sich keinen Küstenschutz leisten können; Bangladesch ist eines der ärmsten Länder der Welt.
USA: Nasse Füße an der Wallstreet
Ungünstige Kombination: Ohnehin nur zehn Meter über Normal Null gelegen, sackt New York um einen Millimeter pro Jahr ab, während die Wasserhöhe um drei bis vier Millimeter steigt. Vor allem das besonders niedrige Manhattan wird künftig stärker von Überflutungen betroffen sein. Weitere Metropolen an der US-Ostküste wie Baltimore oder Miami kämpfen mit demselben Problem.
Panama: Fluch der Karibik
Auf dem Weg in ein neues Leben: Rund 300 indigene Familien verlassen im Mai 2024 die kleine Insel Gardí Sugdub. Künftig werden sie in einer neu gebauten Siedlung an Panamas Nordküste leben. Gardí Sugdub wird Experten zufolge bis 2050 im Atlantik versinken. Ebenso wie in Asien steigt der Meeresspiegel in Lateinamerika und der Karibik schneller als im weltweiten Durchschnitt.
Venedig: Atlantis der Adria
Acqua Alta, Hochwasser, gehört in Venedig zum Alltag. Doch bis 2100 droht der Markusplatz ständig unter Wasser zu stehen: Forschende gehen von einem Meeresspiegel-Anstieg von mehr als einem Meter in der Region aus. Seit Kurzem schützt das Hochwassersystem "Mose" Venedig mit 78 Fluttoren vor extremem Hochwasser - doch Experten bezweifeln, dass Mose die Lagunenstadt dauerhaft schützen kann.
Deutschland: Trutz, blanke Hans
1000 Kilometer Deiche schützen Deutschland allein an der Nordsee - und sie bleiben Küstenschutzmaßnahme Nummer eins. An der gesamten Küste werden sie allerdings verstärkt und sollen zu sogenannten Klimadeichen ausgebaut werden. Diese sind nicht nur höher, sondern auch flacher und breiter; so sollen bei Sturmflut die Schäden durch den Aufprall der Wellen verringert werden.
Niederlande: Land unterm Meeresspiegel
Flach, flacher, Holland: Zwei Drittel der Niederlande liegen auf Niveau des Meeresspiegels oder sogar darunter. Das Land investiert massiv in Hochwasserschutz, doch bei einem starken Meeresspiegel-Anstieg gelangen viele Dammanlagen an ihre Grenzen. Das erst 1997 gebaute Maeslant-Sturmflutwehr in Rotterdam hält nur einen halben Meter Anstieg aus.
Senegal: "Afrikas Venedig" versinkt
Das Meer hat nur Ruinen übrig gelassen: Wegen seiner Lagunen-Lage und der historischen Altstadt wird Saint Louis im Senegal auch "Venedig Afrikas" genannt. Mit der weltberühmten italienischen Stadt hat es allerdings auch die Bedrohung durch den steigenden Meeresspiegel gemeinsam: 20.000 Menschen haben hier bereits ihre Häuser verloren. Die Vereinten Nationen siedeln Betroffene ins Hinterland um.
"Weltweite Katastrophe"
UN-Generalsekretär António Guterres warnt angesichts des steigenden Meeresspiegels vor einer "weltweiten Katastrophe". Gelingt es, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, würde der Anstieg Klimamodellen zufolge "nur" bei 30 bis 60 Zentimeter liegen - ansonsten droht Millionen von Menschen der Verlust ihrer Heimat. In der Pflicht stehen die Industrieländer, die die meisten Emissionen ausstoßen.