Stefan Moses: "Das exotische Land" - Fotografien aus Deutschland
Seine Porträts von ganzen Berufsgruppen machten ihn in den 1960er Jahren zu einem der bekanntesten Fotografen Deutschlands. Sein Frühwerk ist eher unbekannt: Fotoreportagen, für die Moses durch sein Heimatland reiste.
High Society (1961)
Der Blickwinkel auf seine Protagonisten war oft ungewöhnlich und speziell: Für Stefan Moses (1928 -2018) erzählte etwa die Rückenansicht dieser gut betuchten Besucherinnen der Bayreuther Festspiele mehr als ihre Gesichter. Nach seiner Ausbildung arbeitete Moses bis 1960 als freier Bildjournalist für Magazine und 1960-1968 als Redakteur für den "Stern". Das prägte ihn für seine spätere Arbeit...
Adenauer und Brandt auf dem Schlesiertreffen (1961)
Der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer (85), hier mit cooler Ray-Ban-Sonnenbrille, die er von seinem letzten Staatsbesuch in Amerika mitgebracht hatte. Er traf sich mit dem Parteivorsitzender der SPD, Willy Brandt, auf dem alljährlichen Schlesiertreffen in Hannover (1961). Die Vertriebenen waren mit ihren 12 Millionen eine wichtige Wählerklientel für die beiden großen Volksparteien.
"Geselligkeit am Buffet" (1964)
Die Jagd nach den Delikatessen am Kalten Buffet war in der Wirtschaftswunderzeit in Westdeutschland fast schon Volkssport. Die Deutschen feierten wieder gern - lang und ausgiebig. Dem Fotografen ging es bei solchen Momentaufnahmen nicht um technische Perfektion, er wollte die Dynamik der Geschehens einfangen. Das DHM zeigt vor allem seine frühen Reportagen.
"Schaulustige" (1962)
Für den Porträt-Spezialisten Moses war nicht der magische "moment décisif" (der "entscheidende Augenblick"), wie es die Theoretiker der Fotografie formulierten, wichtig, sondern das Erzählerische in seiner Arbeit. Er fotografierte gern Serien, Reportagen oder auch längerfristig angelegte Foto-Zyklen wie "Die Alten". Hier lichtete er Schaulustige ab, die in London auf den Ausritt der Queen warten.
"Rollmopspackerinnen" (1962)
Schon vor dem Bau der Mauer Anfang der 1960er Jahre war Moses in Ost- und Westdeutschland unterwegs und verewigte Menschen wie diese Arbeiterinnen in Büsum. Nach dem Mauerfall führte ihn der Bilderzyklus "Ostdeutsche Porträts" (1989/90) wieder in den Osten. Bei seiner Reportagereise durch die "neuen Bundesländer" war er erneut fasziniert von dem Stolz der einfachen Arbeiter vor seiner Kamera.
"Frau probiert Hüte an" (1960er Jahre)
Stefan Moses blieb als professioneller Fotograf gern dezent im Hintergrund. Er mochte das Posieren vor der Kamera nicht. Der Gesichtsausdruck seiner abgelichteten Zufallsbekanntschaften war ihm am wichtigsten. Wer sich unbeobachtet fühlte, vergaß, dass ein Fotograf in der Nähe war, der ein feines Gespür für Situationskomik hatte. Diese Frau probierte Hüte an einem Modistinnen-Stand an.
"Frauen unter der Haube" (undatiert)
Viele seiner meist schwarz-weißen Fotografien entstanden im Alltagsleben. Er fotografierte nicht im Studio, sondern war mit der Kamera immer auf der Suche nach dem, was ihm "typisch deutsch" erschien. Im besten Sinne war Moses eine Art "Heimatfotograf". Das Reisen in exotische Länder, wie es viele seiner Berufskollegen bevorzugten, bedeutete ihm nicht viel. Er sah sich lieber in Deutschland um.
"Familie am Samstag" (1960er jahre)
Auch im Ruhrgebiet und Münsterland war der Fotograf unterwegs. Hier traf er Arbeiter, Bauern, Kumpel, die unter Tage arbeiteten - und wie hier in Bocholt Gastarbeiter. "Samstags gehört Vati uns" war der Slogan der Gewerkschaften, die für eine 5-Tage-Woche kämpften. Moses studierte auch die Sonntagsrituale der Arbeiterfamilien. Hier der Klassiker: Vati, Mutti, zwei Kinder - alle stadtfein gemacht.
"Auf dem Campingplatz" (1960er Jahre)
Freizeit war bei einer 6-Tage-Woche kaum drin. Deshalb fuhren die Menschen in Westdeutschland ab den 1950er Jahren gern in den sonnigen Süden, vorzugsweise nach Italien, Spanien oder Griechenland. Aber auch daheim konnte man es sich nett machen - auf dem Campingplatz zum Beispiel. Stefan Moses war dabei.
Juden in Nachkriegsdeutschland" (1964)
Seine jüdischen Familienwurzeln ermöglichten Moses immer wieder sehr persönlich Einblick in die Lebenswelten von Juden in Deutschland. Der Krieg war vorbei, viele der Überlebenden des Holocaust gingen in die USA oder nach Palästina, aber einige blieben in Deutschland. Wie hier die betagten Bewohner des jüdischen Altenheims in Würzburg.
Chronist deutscher Befindlichkeit
Der gebürtige Schlesier Stefan Moses nannte sich selbst einen "beharrlichen Langsamen". Mit Bedacht wählte er seine Motive und den Ort für seine Porträts aus. Ähnlich wie August Sander nahm Moses, der 2018 starb, seinen Auftrag als "Lichtbildner" sehr ernst. Das Spiel mit Licht und Hintergrund machte ihn zum künstlerischen Fotografen. Das DHM zeigt seine Fotoreportagen vom 01.02. bis 12.05.2019.