Starker Partner in schweren Zeiten gesucht
22. März 2015Nach Angaben des Weißen Hauses stehen auf der Themenliste unter anderem Sicherheitsfragen und die Wirtschaftsentwicklung Afghanistans sowie die US-Unterstützung für den inner-afghanischen Aussöhnungsprozess. Außenminister John Kerry hat Ghani und seine Delegation außerdem zu einem "hochrangigen strategischen Dialog" nach Camp David eingeladen.
Die Reise des neuen afghanischen Präsidenten fällt in eine Zeit, in der sich die bilateralen Beziehungen zum Besseren entwickeln, nachdem sie gegen Ende der Amtszeit Karsais einen Tiefpunkt erreicht hatten. "Ghani hat sich bei den Amerikanern hervorragend eingeführt", sagt Michael Kugelman, Südasien-Experte in Washington. "Er hat das bilaterale Sicherheitsabkommen unterzeichnet, das Karsai abgelehnt hatte. Er hat das Verbot von nächtlichen Razzien durch das US-Militär aufgehoben, das Karsai erlassen hatte. Und er setzt sich für eine verstärkte Rolle der USA in Afghanistan ein, was Karsai ebenfalls unbedingt vermeiden wollte."
Längere US-Truppenpräsenz als geplant wahrscheinlich
Bislang planen die USA offiziell, ihre Truppenpräsenz in Afghanistan allmählich bis auf eine normale Botschaftspräsenz Ende 2016 herunterzufahren. Dann endet Obamas letzte Amtszeit. In den vergangenen Wochen haben sich jedoch die Stimmen im Kongress und der Regierung gemehrt, die diese Exit-Strategie in Zweifel ziehen: Dadurch würden die Errungenschaften der vergangenen 13 Jahre gefährdet, insbesondere angesichts der neuen Bedrohung durch den "Islamischen Staat" (IS) und der erstarkten Aufstandsbewegung der Taliban.
Diese Einschätzung wird durch UN-Berichte über die Sicherheitslage im Land gestützt. Laut der UN-Mission in Afghanistan (UNAMA) wurden 2014 fast 3700 Zivilisten bei Zwischenfällen mit Aufständischen getötet, die höchste Zahl seit Beginn dieser Erhebungen vor fünf Jahren. Was die Bedrohung durch den IS angeht, so dürfe sie laut UNAMA-Chef Nicholas Haysom nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Bislang aber stelle die Gruppe vor allem eine Gefahr in ihrer Rolle als "alternative Flagge" dar, unter der sich einzelne isolierte aufständische Gruppen sammeln können.
Experte Kugelman geht davon aus, dass Obama eine wesentlich langsamere Reduzierung der US-Truppenstärke in Afghanistan als bisher geplant ankündigen wird. Die allermeisten der Soldaten, die bis Ende 2015 ursprünglich abgezogen werden sollten, werden seiner Einschätzung nach auch 2016 noch in Afghanistan sein. Das würde unter anderem bedeuten, so Jason Campbell von der RAND Corporation, dass US-Militärstützpunkte in Kandahar, Dschalalabad und Bagram länger als geplant in Betrieb sein werden. Damit werde das US-Militär noch länger eine regionale anstatt eine ausschließlich auf Kabul konzentrierte Rolle spielen können.
Ghani versicherte sich zuerst regionaler Unterstützung
Die prekäre Sicherheitslage erklärt auch die Reihenfolge der ersten Auslandsbesuche Ghanis, die ihn zunächst nach Saudi Arabien, China und Pakistan geführt hatten, wie sein Sprecher Obaid Abidy gegenüber der Deutschen Welle erläutert: "Der Präsident wollte vor seinem USA-Besuch zunächst einen Konsens in der Region und der islamischen Welt erreichen, dass die Stabilität Afghanistans entscheidend für die Sicherheit der Region ist. Wir haben hart für dieses Ziel gearbeitet, so dass der Präsident jetzt mit einer klaren Botschaft nach Washington reisen kann."
Sicherheitsexperte Campbell zufolge wollte Ghani mit seinen Besuchen in China und Pakistan noch vor seinem USA-Besuch die wichtige Rolle dieser Länder für das Erreichen eines stabilen und blühenden Afghanistans unterstreichen. Gewisse erste Erfolge dieser Außenpolitik lassen sich bereits erkennen: Peking sagte kürzlich seine Bereitschaft zu, Kabul bei Gesprächsangeboten an militante islamistische Gruppen zu unterstützen. Pakistan wiederum zeigt eine verstärkte harte Haltung gegen Extremisten, insbesondere nach dem Überfall von Taliban auf eine Schule der Armee mit mehr als 130 ermordeten Schulkindern Ende Dezember.
Was Friedensgespräche zwischen Kabul und den Taliban betrifft, so herrscht bislang Unklarheit darüber, wie weit solche Initiativen gediehen sind und welche Erfolgsaussichten sie haben. Laut Kugelman gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Taliban-Führung für solche Gespräche das O.K. gegeben hätte. Auch zwischen Islamabad und Kabul könnten jederzeit wieder Anschuldigungen erhoben werden, dass die andere Seite nicht genug gegen den Zustrom von Militanten tue.