Starke Ausstellung in der Schirn Frankfurt: Faszination der Wildnis
Als die Künstler die Ateliers verließen, begann in der Kunstgeschichte eine neue Zeitrechnung: Die Moderne läutete ein neues Verhältnis der Kunst zur Natur ein. Wir blättern durch den Ausstellungskatalog der Schirn.
Mark Dion, Mobile Wilderness Unit (2006)
Die Rauminstallation von Mark Dion stellt den Satz "Die Natur kehrt zurück" auf den Kopf: Der ausgestopfte Wolf kehrt als Teil einer Skulptur in die Ausstellung "Wildnis" zurück - auf einem Industrieanhänger aus dem Baumarkt. Die Zivilisation hat sich die Natur als Schauobjekt einverleibt. Eine starke Zivilisationskritik des US-amerikanischen Installationskünstlers.
Richard Long, Sand Line, Egypt (2003)
Der britische Landart-Künstler Richard Long (Jg. 1945) arbeitet viel in der freien Natur. Materialien, die er vor Ort findet, legt er zu abstrakten Bodenskulpturen zusammen. Mit Vorliebe arbeitet er mit Steinen und Felsbrocken. Arbeiten von ihm sind auch in Museen und Sammlungen zu sehen. Hier eine Farbfotografie natürlicher Felsformationen, die er in einer Wüste in Ägypten aufgenommen hat.
Pieter Hugo, Abu Kikan with Frayo (2007)
Aufgenommen wurde dieses Bild in Nigeria: eine alltägliche Momentaufnahme, auf einem Markt in Asaba. Man ahnt die Geschichte, die hinter diesem Bild steckt. Das digitale C-Print ist eine Fotoarbeit von Pieter Hugo (Jg. 1976). Der südafrikanische Künstler beschäftigt sich mit Afrika als Kontinent der extremen Gegensätze. Viele seiner Arbeiten sind zu Ikonen der Zivilisationskritik geworden.
Julian Charrière, Metamorphism (2016)
Der Titel dieser kleinen Skulptur, die auf einem Sockel unter einem Glassturz in der Ausstellung steht, könnte auch "Ich war mal ein Computer" lauten. Der Schweizer Künstler (Jg. 1987) arbeitet hier mit künstlicher Lava, die er mit kleinteiligem Computerschrott zu Plastiken formt. "Wir haben das Verständnis für die Natur verloren", sagt Charrière, der sich als Kulturarchäologe betrachtet.
Gerhard Richter, Himalaya (1968)
Der deutsche Maler Gerhard Richter wurde zu Beginn seiner Karriere in Westdeutschland von Motiven ursprünglicher Natur angezogen. Obwohl er nie eine Bergexpedition gemacht hatte, faszinierten ihn menschenleere, schroffe Gebirgswelten. Die Kontraste von Licht und Schatten zogen ihn an. Für seine "Himalaya"-Arbeiten griff er auf Fotografien zurück und entwickelte die Motive auf der Leinwand weiter.
Joachim Koester, Der Wald von Bialowicza (2001)
Ein ganz normaler Wald, etwas verwildert, unscheinbar. Und doch geht von diesen großformatigen Farbfotografien Unheimliches aus. Joachim Koester (Jg. 1962), in Dänemark geboren, reist für seine Arbeiten durch ganz Europa. Hier im Grenzgebiet zwischen Polen und Weißrussland hat er den ältesten und letzten Urwald Europas fotografiert - früher ein blutiges Schlachtfeld im Zweiten Weltkrieg.
Henri Rousseau, Der hungrige Löwe wirft sich auf die Antilope (1898-1905)
Als das berühmte Gemälde des französischen Malers Henri Rousseau erstmals im Pariser Herbstsalon 1905 ausgestellt war, hingen die Bilder der umstrittenen Künstergruppe "Le Fauves" (Wilde Tiere) direkt daneben. Rousseau wurde als naiv abgetan, die jungen Wilden, zu denen auch Matisse gehörte, schrieben mit ihren Bildern Kunstgeschichte. Hier wird das Bild in der Ausstellung platziert.
"Making of" einer Ausstellung
Die Platzierung der Arbeiten ist immer ein Wagnis. Jede Arbeit entwickelt vor Ort ihre Präsenz, manche können nur als Einzelstück gestellt werden. Die Rauminstallation von Mark Dion brauchte viel Platz, um ihre bildnerische Wirkung zu entfalten. Die Ausstellung: "Wildnis" in der Schirn Kunsthalle Frankfurt ist noch bis zum 3. Februar 2019 zu sehen. Autorin: Heike Mund