Der Armutsmigration auf der Spur
8. Januar 2014Das Bundeskabinett hat am Mittwoch beschlossen, einen Ausschuss einzusetzen, der sich mit möglichem Missbrauch von Sozialleistungen durch Bürger aus anderen EU-Staaten befassen soll. Die Runde aus Staatssekretären von elf Ministerien soll prüfen, ob und wie die Regierung gegen einen solchen möglichen Missbrauch vorgehen sollte. An den Sitzungen nimmt auch die Staatsministerin für Integration, Aydan Özoguz (siehe Foto), teil.
Bereits in der kommenden Woche könnte die erste Ausschusssitzung stattfinden, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert vor Journalisten. Erste Ergebnisse sollten bis Juni vorliegen, wobei auch Zwischenergebnisse möglich seien, wie Seibert betonte. Der Regierungssprecher betonte weiter, dass es bei der Erörterung der Lage nicht explizit um Angehörige einzelner Nationen gehe. Die Bundesregierung begrüße Freizügigkeit und Zuwanderung. Doch müsse auf die "Nöte und Hinweise von Kommunen" eingegangen werden. Mehr als ein Dutzend Bürgermeister großer Städte hätten sich im November mit einer entsprechenden Bitte an die Bundesregierung gewandt, erinnerte Seibert.
Der Vorschlag für einen eigenen Ausschuss ging auf Kanzlerin Angela Merkel zurück, die damit die emotional geführte Debatte über sogenannte Armutsmigration versachlichen möchte. Aktueller Hintergrund ist die seit Jahresbeginn gültige volle Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für Bulgaren und Rumänen - das heißt, sie können auch in Deutschland Arbeit suchen.
"Wer betrügt, der fliegt."
Angestoßen hatte die Debatte ein Beschlussentwurf der CSU für ihre traditionelle Klausurtagung im oberbayerischen Wildbad Kreuth (7. bis 9.1.2014). Darin warnen die Christsozialen vor zunehmendem Sozialmissbrauch und drängten auf schärfere Regeln.
Nach Ansicht der CSU kommen viele gering qualifizierte Migranten nach Deutschland, die kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten, aber Sozialleistungen in Anspruch nehmen würden. Der umstrittenste Satz in dem Papier lautet: "Wer betrügt, der fliegt."
Ziel neuer Maßnahmen müsse es sein, so heißt es, die Kommunen finanziell zu unterstützen. Der Koalitionspartner SPD und die Opposition warfen den Christsozialen daraufhin Populismus vor. Am Dienstag wurde der Entwurf von den CSU-Bundestagsabgeordneten in Wildbad Kreuth einstimmig angenommen.
Städtetag fordert Hilfe
Inzwischen hat auch der Deutsche Städtetag mehr Hilfe für die Kommunen in dieser Frage gefordert. Der Städtetag hoffe auf den Staatssekretärs-Ausschuss und auf Erleichterungen "im Umgang mit der Armutszuwanderung aus Rumänien und Bulgarien", sagte Hauptgeschäftsführer Stephan Articus in einem Zeitungsinterview. Die bisher von der Koalition vorgeschlagenen Maßnahmen seien nicht ausreichend, um das Problem zu lösen, so Articus weiter.
Neben Finanzhilfe für Sprachkurse und Sozialarbeit hofft der Städtetag auf Gesetzesänderungen, zum Beispiel bei Integrationskursen und der Bekämpfung von Scheinselbstständigkeit. Jenseits des politischen Streits wäre viel gewonnen, wenn die Bundesregierung "auf die im Koalitionsvertrag anerkannte Belastung in einigen Städten konkret reagieren" würde, so Articus.
Auslandseinsätze der Bundeswehr verlängert
Das Bundeskabinett stimmte am Mittwoch dem Verbleib von zwei "Patriot"-Raketenabwehrstaffeln an der türkisch-syrischen Grenze für ein weiteres Jahr zu. Die Bundeswehr soll sich so weiterhin mit bis zu 400 Soldaten am Schutz des Nato-Partners Türkei vor Angriffen aus Syrien beteiligen.
Auch die Mission zur Bekämpfung des Terrorismus im Mittelmeerraum "Active Endeavour" ("Energische Bemühungen") soll in eingeschränkter Form fortgesetzt werden. Daran sollen sich weiterhin deutsche Schiffe sowie Besatzungen von "Awacs"-Aufklärungsflugzeugen beteiligen können. Der Einsatz war 2001 als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September in den USA beschlossen worden. Der Bundestag muss der Verlängerung beider Missionen noch zustimmen.