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Staatshilfen: Ist das überhaupt erlaubt?

Brigitte Scholtes
25. September 2019

Während die britische Regierung Staatshilfen für Thomas Cook ablehnte und das Unternehmen pleite ging, erhielt die deutsche Tochter Condor einen 380-Millionen-Kredit von Berlin. Ist das rechtens?

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Ferienflieger Condor - Startender Airbus A320
Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul

Arbeitnehmer, Gewerkschaften und Verbraucher freuen sich über den Überbrückungskredit, den der Bund und das Land Hessen der Fluggesellschaft Condor geben. Das Unternehmen benötigt die Liquiditätshilfe von insgesamt 380 Millionen Euro, damit es den umsatzärmeren Winter übersteht. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hatte den Kredit auch mit der grundsätzlich guten wirtschaftlichen Lage der Condor begründet.

Denn die Kriterien für Staatshilfe sind streng, ob sie zu Recht gegeben werden, darüber entscheidet die EU-Kommission. "Staatshilfen sollte man so zurückhaltend wie möglich vergeben", sagt Daniel Zimmer, Direktor des Instituts für Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität Bonn. "Das ist ein Gebot wirtschaftlicher Vernunft." Diese Vernunft aber legt die Politik nicht immer an den Tag, denn Staatshilfe kann auch eine populäre Maßnahme sein. Das zeigte sich etwa im Herbst 1999 beim Baukonzern Philipp Holzmann, als der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder in einer Krisensitzung eine Staatsbürgschaft zusagte - gekoppelt jedoch an weitere Bankenhilfen. Die Holzmann-Mitarbeiter feierten ihn stürmisch mit "Gerhard, Gerhard"- Rufen. Doch die Staatshilfe floss nicht, weil die Banken mauerten. Drei Jahre später war Holzmann Geschichte.

Lieber bei privaten Banken fragen

Schröders Parteigenosse Helmut Schmidt hatte das 1982 noch ganz anders gesehen: "Wir sind doch nicht der Reparaturbetrieb des Kapitalismus", hatte er auf die Bitten um Hilfe für den Elektrokonzern AEG geantwortet. Auch dem Familienunternehmen Schaeffler versagte der Staat trotz emotionaler Appelle der Matriarchin Maria-Elisabeth Schaeffler 2009 die Unterstützung, das Maschinenbauunternehmen kam die Finanzkrise bei der schuldenfinanzierten Übernahme in die Quere. Schaeffler gelang es dann, mit Hilfe der Banken und der Belegschaft einen Rettungsplan zu vereinbaren. So sollte es sein, meint Wirtschaftsrechtler Zimmer: "Die Hilfe durch private Banken ist immer vorzuziehen", glaubt er. Doch anderen Unternehmen stand der Staat in dieser Zeit bei, zu Recht, sagt Achim Wambach, Präsident des ZEW-Leibniz-Instituts und der Monopolkommission des Bundes. Denn damals habe der Finanzmarkt nicht funktioniert. Die Unternehmen seien in einer Liquiditätsklemme gewesen: "Bevor man die in die Insolvenz laufen lässt, nur weil sie temporär nicht Geld zur Verfügung haben, sollte der Staat helfen", sagt der Wirtschaftsforscher.

Greichenland Touristen Thomas Cook Pleite
Gestrandete Passagiere von Thomas Cook am Flughafen von KorfuBild: picture-alliance/ANE

Der Staat dürfe nicht einspringen, wenn ein Unternehmen dadurch künstlich am Markt gehalten werden und es zu einer Wettbewerbsverzerrung komme, sagt der Bonner Wirtschaftsrechtler Zimmer, der zwischen 2012 und 2016 Vorsitzender der Monopolkommission war. "Doch wenn ein externer Schock ein eigentlich wirtschaftlich prosperierendes Unternehmen bedroht, dann spricht auch die wissenschaftliche Vernunft eher dafür, einen Kredit zu gewähren. Denn dadurch wird der Wettbewerb nicht verfälscht, sondern weiterhin ermöglicht." Das gelte vor allem dann, wenn zu wenig Zeit ist, um mit Banken einen Kredit auszuhandeln.

Alle Möglichkeiten ausloten

Im Fall Condor ist ZEW-Präsident Achim Wambach von der Staatshilfe noch nicht überzeugt: Der Staat hätte vorbeugen können, etwa, indem man die Absicherung für Reisen ausweitet, auch auf Individualflüge, oder indem man die Branchenverbände mit einbinde, so wie dies in der Bankenbranche über die Einlagensicherungssysteme der Fall sei. So aber fühle sich der Staat quasi genötigt einzugreifen, weil ansonsten Reisende stranden würden.

Staatliche Überbrückungskredite helfen nicht immer - im Fall Air Berlin vor zwei Jahren kam die Hilfe zu spät, um das Unternehmen als Ganzes zu retten. Doch immerhin konnten die 150 Millionen Euro Kredit aus der Insolvenzmasse vollständig an den Staat zurückgeführt werden. Es gibt auch positive Beispiele: So wurde das Telekommunikationsunternehmen Mobilcom 2002 gerettet und dann von Freenet übernommen. Ähnlich bei beim Waschmittel- und Kosmetikkonzern Beiersdorf. 2003 stieg die Stadt Hamburg ein und verhinderte zusammen mit dem Kaffeeröster Tchibo die Zerschlagung.