Spitzhacken für den digitalen Goldrausch
7. Januar 2014Bis zu 10.000 US-Dollar kosten die Computer, doch sie können erstaunlich wenig. HD-Videos schneiden? Fehlanzeige. Keine Spiele, keine Textverarbeitung, keine Emails. Nicht mal ein Monitor lässt sich anschließen. Eigentlich können die Rechner nur eines, das aber sehr gut: Sie graben nach Bitcoins, dem Internet-Gold.
Bitcoin-Miner heißen die Hochleistungsrechner deshalb. Im digitialen Goldrausch sind sie das, was Spitzhacke und Sieb für die Goldgräber in Kalifornien im Jahr 1848 waren. Rund um die Uhr schürfen die Miner, täglich graben sie 3600 Bitcoins aus. Das entspricht einem aktuellen Marktwert von gut zwei Millionen Euro.
Der Wert eines Bitcoin ist im Lauf des vergangenen Jahres explodiert. Anfang 2013 kostete ein Bitcoin rund zehn Euro, aktuell sind es etwas mehr als 600 Euro. Mit dem Kursanstieg ist auch die Nachfrage nach Schürfcomputern stark gewachsen. Als der schwedische Hersteller KnCMiner im Ende 2013 den Verkauf für sein neues Modell namens Neptune eröffnete, rissen ihm die Kunden das Produkt förmlich aus der Hand.
24 Millionen in drei Tagen
"Wir waren innerhalb von drei Tagen ausverkauft. Der Stückpreis betrug 9995 Dollar plus Mehrwertsteuer", so Alexander Lawn von KnCMiner. Bei 2400 verkauften Neptunes macht das rund 24 Millionen Dollar Umsatz innerhalb weniger Tage. Nicht schlecht für eine kleine Firma, die erst seit acht Monaten existiert und gerade einmal 40 Mitarbeiter hat.
Um zu begreifen, wonach die Miner genau graben, muss man das Konzept der Internetwährung Bitcoin verstehen. "Es ist der Versuch, eine freie Währung zu haben, die nicht von Menschen manipuliert werden kann", so Oliver Flaskämper, Betreiber von Bitcoin.de, einer Handelsplattform für die digitale Währung. "Bitcoin beruht auf rein mathematischen Grundsätzen und soll es möglich machen, Werte aufzubewahren und weltweit bezahlen zu können."
Das Gesetz der Währung Bitcoin ist ein Stück Software, das jeder benutzt, der Bitcoins besitzt und mit ihnen bezahlen will. Dieses Stück Mathematik ist der Gegenentwurf zur Welt der Zentralbanken und Finanzminister, die im Zweifel immer die Druckerpresse anwerfen und für Inflation sorgen - sei es, um Kriege zu finanzieren oder, wie zuletzt, Banken zu retten.
Währung ohne Inflation
In der Bitcoin-Software ist alles bereits festgelegt und nicht mehr zu beeinflussen - auch das Wachstum der Geldmenge. So soll Inflation ausgeschlossen werden. Aktuell sind rund 12 Millionen Bitcoins im Umlauf, in zehn Jahren werden es 20 Millionen sein. Dann wächst die Menge nur noch langsam, die Obergrenze von 21 Millionen Bitcoins wird erst um das Jahr 2140 erreicht.
Weil die Währung eine Erfindung des Internet-Zeitalters ist, sind Online-Überweisungen ein Kinderspiel. Innerhalb weniger Minuten können sich Bitcoin-Nutzer Geld in ihre virtuellen Geldbörsen schicken, ohne dass Banken mit hohen Gebühren mitverdienen.
Hier kommen die Miner ins Spiel. Bei zuletzt bis zu 100.000 Überweisungen pro Tag müssen sie sicherstellen, dass alles mit rechten Dingen zugeht. "Jeder einzelne Bitcoin enthält ein komplettes Verzeichnis aller Transaktionen seit seiner Entstehung", sagt Alexander Lawn von KnCMiner. "Die Miner stellen sicher, dass dieses Verzeichnis auf dem aktuellen Stand ist."
Permanentes Wettrüsten
Die buchhalterische Rechnerei ist verbunden mit einer Art mathematischem Puzzle, kryptographischen Aufgaben, deren Schwierigkeit ebenfalls von der Software festgelegt ist und in regelmäßigen Abständen steigt. "Wer einen Transaktionsblock findet und löst, erhält als Belohnung 25 Bitcoins. Am Anfang gab es 50, alle vier Jahre halbiert sich die Belohnung", so Lawn.
Alle zehn Minuten eine Aufgabe, alle zehn Minuten 25 neue Bitcoins für den, der sie als erster löst. Macht 3600 Bitcoins am Tag. "Das ist ja ein ganz kapitalistischer Prozess", sagt Oliver Flaskämper. "Die 3600 Bitcoins verteilen sich auf die gesamte Rechenleistung, die dem Netzwerk zur Verfügung gestellt wird. Wer mehr Rechenleistung beisteuert, hat auch eine größere Wahrscheinlichkeit, sich von den 3600 Bitcoins am Tag ein größeres Stück abschneiden zu können." Das Ergebnis sei ein "permanentes Wettrüsten", so Flaskämper. "Die Rechenkapazität innerhalb des Bitcoin-Netzwerks verdoppelt sich aktuell alle drei Wochen, weil jeden Tag neue User dazukommen, die sich am Bitcoin-Mining beteiligen."
In der Anfangsphase ab 2009 überwachten noch ganz normale Computer das Bitcoin-Netzwerk, lösten die Puzzle und schürften neue Bitcoins - und noch immer kann sich theoretisch jeder PC-Besitzer beteiligen. Doch bald war klar, dass nur die schnellsten Rechner eine Chance haben, dabei Bitcoins zu verdienen. Nutzer setzten zunächst auf schnelle Grafikkarten, oft mehrere in Reihe geschaltet mit enormer Hitzeentwicklung und hohen Stromkosten. 2013 dann kam die neueste Generation der Bitcoin-Miner auf den Markt, sogenannte Asic-Rechner, die bis zu 1000 mal schneller sind als Grafikkarten.
Auch Handelsplattformen profitieren
Alexander Lawn vom Computerhersteller KnCMiner sagt, 70 Prozent aller Bitcoins würden inzwischen mit seinen Produkten geschürft. Doch selbst moderne Miner haben allein keine Chance. "Anstatt nur für sich selbst zu graben, schließen sich Nutzer deshalb zu Schürfgemeinschaften zusammen und teilen die Belohnung dann unter sich auf", so Lawn. Ein aktueller Miner könne derzeit rechnerisch 0,5 Bitcoins am Tag verdienen.
Die Frage, ob sich so eine Investition lohnt, hängt von vielen Faktoren ab: dem Anschaffungspreis, dem Bitcoin-Kurs und den Stromkosten, schließlich laufen die Rechner Tag und Nacht. Auch die Zeit, die zwischen Bezahlung und Lieferung des Miners vergeht, spielt eine Rolle. So konnte KnCMiner Ende vergangenen Jahres 2400 Exemplare seines neuen Spitzenmodells zwar in Rekordzeit verkaufen. Geliefert werden die Rechner aber teilweise erst ab dem zweiten Quartal 2014.
"Wenn ich am Ende der Lieferkette bin, kann es im schlimmsten Fall passieren, dass die Rechenleistung im Netzwerk zum Zeitpunkt der Lieferung so weit fortgeschritten ist, dass ich mit meiner Maschine keine Chance mehr habe, den Anschafftungspreis wieder einzuspielen", sagt Oliver Flaskämper von Bitcoin.de.
Wer das Mining für zu riskant oder mühsam hält, der kann sich Bitcoins auch ganz einfach kaufen, auf einer der zahlreichen Handelsplattformen im Internet. Allein auf Bitcoin.de wurden Ende 2013 monatlich bis zu 90.000 Bitcoins gehandelt, sagt Betreiber Oliver Flaskämper - das entspricht aktuell mehr als 50 Millionen Euro. Bitcoin.de verdient an jeder Transaktion ein Prozent, je zur Hälfte getragen von Käufer und Verkäufer.
Die alte Regel aus den Tagen des Goldrauschs von 1848 scheint also auch für die Internetwährung zu gelten: Die Anbieter von Schaufeln, Spitzhacken und anderen Dienstleistungen - also Miner und Handelsplattformen - verdienen nicht schlecht am Bitcoin-Boom.