Spionageverdacht bei Taurus alarmiert die Politik
2. März 2024Das Bundesverteidigungsministerium bestätigte einen Abhörfall. "Es ist nach unserer Einschätzung ein Gespräch im Bereich der Luftwaffe abgehört worden", sagte eine Ministeriumssprecherin. Zum Inhalt machte das Ministerium keine Angaben. Der Vorgang werde weiter geprüft, sagte die Sprecherin. Zuvor hatte es geheißen, das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst habe "alle erforderlichen Maßnahmen eingeleitet".
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte eine "zügige" Aufklärung des Vorfalls an. "Das, was dort berichtet wird, ist eine sehr ernste Angelegenheit", sagte Scholz bei einem Besuch in Rom. "Und deshalb wird das jetzt sehr sorgfältig, sehr intensiv und sehr zügig aufgeklärt und das ist auch notwendig."
Ein strukturelles Problem?
Politiker von Grünen und Union zeigten sich besorgt über die Berichte, denen zufolge Russland ein internes Gespräch deutscher Bundeswehroffiziere über den Marschflugkörper Taurus abgehört hat. "Sollte sich diese Geschichte bewahrheiten, wäre das ein hochproblematischer Vorgang", sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages, Konstantin von Notz, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Es stellt sich die Frage, ob es sich hier um einen einmaligen Vorgang oder ein strukturelles Sicherheitsproblem handelt", fügte der Grünen-Politiker hinzu. "Ich erwarte umgehende Aufklärung aller Hintergründe."
Der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter warnte vor einer Veröffentlichung weiterer abgehörter Gespräche. "Es werden sicher noch etliche andere Gespräche abgehört worden sein und gegebenenfalls zu späteren Zeitpunkten im Sinne Russlands geleakt werden", sagte er dem Nachrichtenportal "ZDFheute". Es sei davon auszugehen, "dass das Gespräch ganz gezielt durch Russland zum jetzigen Zeitpunkt geleakt wurde in einer bestimmten Absicht". Diese könne nur darin liegen, "eine Taurus-Lieferung durch Deutschland zu unterbinden".
Die "Bild"-Zeitung hatte zuvor berichtet, russische Propagandakanäle hätten einen angeblichen Mitschnitt eines abgehörten Gesprächs von Bundeswehroffizieren veröffentlicht. Darin sei zu hören, wie vier Bundeswehroffiziere über die Fähigkeiten des Marschflugkörpers Taurus diskutierten sowie darüber, welche Herausforderungen mit einer Lieferung an die Ukraine verbunden wären. Laut "Bild"-Zeitung diskutieren die Offiziere in dem Gespräch auch über Möglichkeiten, wie in der Ukraine Taurus-Marschflugkörper auch ohne konkrete Zieldatenübermittlung durch die Bundeswehr eingesetzt werden könnten.
Der Kanzler bleibt bei seinem Nein
Bundeskanzler Scholz hatte sein Nein zu Taurus-Lieferungen Anfang der Woche ausführlich begründet und dabei vor allem technisch argumentiert. Der Einsatz der Taurus-Marschflugkörper durch die Ukraine würde die Mitwirkung deutscher Soldatinnen und Soldaten bei der Zielsteuerung erfordern, sagte er. Scholz fürchtet, damit könne Deutschland indirekt in den Ukraine-Krieg hineingezogen zu werden.
Vertreterinnen und Vertreter der Koalitionspartner Grüne und FDP plädieren hingegen offen für Taurus-Lieferungen an die Ukraine. Der Bericht zu dem mutmaßlich abgehörten Taurus-Gespräch der Bundeswehroffiziere erfolgte just an dem Tag, an dem mehrere Medien berichteten, der ehemalige Wirecard-Vorstand Jan Marsalek sei offenbar jahrelang für russische Geheimdienste aktiv gewesen.
Wie der "Spiegel", das ZDF, der österreichische "Standard" und die russische Plattform "The Insider" unter anderem unter Berufung auf westliche Geheimdienstinformationen berichten, soll der abgetauchte Ex-Manager über einen Vertrauten enge Kontakte zum russischen Militärnachrichtendienst GRU und zu Abgeordneten der Duma geknüpft haben. Diese Kontakte seien bereits von 2014 an hergestellt worden.
haz/jj/gri (afp, dpa)