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Ein Spiel auf Zeit?

16. April 2009

Eigentlich sollte die Frage nach der Anerkennung Südossetiens und Abchasiens auf der Tagesordnung des Parlaments in Belarus stehen. Doch vieles spricht dafür, dass Minsk die Entscheidung möglichst hinauszögern will.

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Parlament in MinskBild: Pavljuk Bykovsky

Hintergrund ist der Konflikt um die beiden abtrünnigen georgischen Provinzen Südossetien und Abchasien sowie die Anerkennung von deren Unabhängigkeit durch Russland. Nun sieht sich auch Belarus vor die Frage gestellt: anerkennen oder nicht? Dabei dürfte Präsident Lukaschenko mehr als bewusst sein, dass die Lage äußerst verzwickt ist: Die Nichtanerkennung der Unabhängigkeit Südossetiens und Abchasiens würde Moskau brüskieren, eine Anerkennung könnte wiederum die zarten Bande empfindlich stören, die Minsk derzeit mit Brüssel knüpft.

Zunächst hat Lukaschenko offenbar einen Zeitgewinn verbucht, indem er darauf verwies, erst nach den Wahlen könne das neue Parlament über eine Anerkennung der beiden selbsternannten Republiken entscheiden. Schaut man sich aber nun die Tagesordnung der ersten Sitzungsperiode der neugewählten Repräsentantenkammer der belarussischen Nationalversammlung an, so fällt auf, dass die Frage nach der möglichen Anerkennung Südossetiens und Abchasiens gar nicht auf der Agenda steht.

Politischen Handlungsspielraum erhalten

Der russische Politikwissenschaftler Fjodor Lukjanow meint, der belarussische Präsident Aleksandr Lukaschenko habe zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt, die Unabhängigkeit Südossetiens und Abchasiens anzuerkennen. Die Motive lägen auf der Hand: "Für jeden postsowjetischen Staat, egal in welchem Verhältnis er zu Russland und Georgien steht, ist die Legitimation einer gewaltsamen Grenzänderung ein äußerst unwünschenswerter Präzedenzfall." Belarus habe zwar aktuell keine Territorialkonflikte, aber jeder postsowjetische Staat könnte Probleme bekommen, wenn die administrativen Grenzen der einstigen UdSSR in Zweifel gezogen würden, so Lukjanow.

Die EU wiederum habe die Nichtanerkennung Südossetiens und Abchasiens zur Bedingung für eine Beteiligung von Belarus an dem Programm Ostpartnerschaft gemacht. "Das ist ganz klar eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Belarus", kritisiert Lukjanow. Dies habe Lukaschenko zum Anlass genommen, sich von dieser Frage zu entfernen. Er wolle sich den Raum zum Lavieren zwischen Russland und der EU erhalten.

Dass Minsk seinen politischen Spielraum nicht einengen will, vermutet auch der belarussische Experte Aleksandr Klaskowskij. Allerdings ist er der Meinung, dass eine Anerkennung der Unabhängigkeit Südossetiens und Abchasiens derzeit gar keine Rolle spiele. Diese Frage werde sowohl von Moskau als auch von der EU aufgebauscht. "Die EU wird nichts tun können, falls Minsk die beiden kaukasischen Republiken anerkennt, weil man Belarus bereits in die Ostpartnerschaft aufgenommen hat", vermutet Klaskowskij. Auch Moskau werde nicht übermäßig Druck ausüben, so der Experte.

Welche Signale wird Belarus setzen?

Nach Ansicht des belarussischen Politologen Wladimir Mazkewitsch würde sich für Südossetien und Abchasien durch eine Anerkennung wenig ändern. Anders für Belarus: Für Minsk hätte dieser Schritt ernsthafte Folgen. Wie der Experte erläuterte, wäre eine Anerkennung der abtrünnigen georgischen Provinzen für die Europäer ein Signal dafür, dass Minsk sein selbständiges Vorgehen in Richtung Europa endgültig beendet. Der EU wäre somit klar, dass alle Fragen betreffend Belarus mit dem Kreml abgeklärt werden müssten.

Doch auch der Umkehrschluss sei nicht ohne weiteres zulässig: Durch eine Nichtanerkennung könne Belarus nicht automatisch Pluspunkte für sich bei der EU verbuchen, meint Mazkewitsch. Denn zwischen der EU und Minsk gebe es genügend andere offene Fragen. Das Hauptproblem sei nicht die Anerkennung Südossetiens und Abchasiens. Es gehe vielmehr um Maßnahmen zur Demokratisierung in Belarus.

Autor: Gennadij Konstantinow/Vladimir Dorokhov/Markian Ostaptschuk
Redaktion: Birgit Görtz