"Spiegel": Autobauer unter Kartellverdacht
21. Juli 2017Seit den 1990er Jahren sollen sich mehr als 200 Mitarbeiter von Volkswagen, Audi, Porsche, BMW und Daimler in geheimen Arbeitskreisen abgestimmt haben. Bei den Treffen soll über alle Details der Autoentwicklung gesprochen worden sein.
Dazu gehörten demnach auch Absprachen zur Technik für die Diesel-Abgasreinigung. Die Auswahl von Lieferanten und die Preise von Bauteilen für Motoren, Bremsen, Kupplungen und Getrieben seien ebenfalls Gegenstand der Gespräche gewesen, berichtet "Der Spiegel" am Freitag.
Volkswagen habe am 4. Juli 2016 darüber einen Schriftsatz bei Wettbewerbsbehörden eingereicht, so das Magazin. Darin soll VW selbst den Verdacht äußern, die Absprachen der deutschen Autobauer seien "kartellrechtswidriges Verhalten".
Neben dem Wolfsburger Konzern soll auch Daimler eine Art Selbstanzeige bei den Behörden eingereicht haben. Daimler erklärte, das Unternehmen äußere sich grundsätzlich nicht zu Spekulationen.
Nach Bekanntwerden der neuen Vorwürfe sackten die Aktien der Autobauer am Freitag deutlich ab.
Basis für Dieselskandal
Ein VW-Sprecher erklärte im Namen der Konzernmarken Volkswagen, Audi und Porsche: "Zu den Spekulation und Sachverhaltsvermutungen der "Spiegel"-Berichterstattung äußern wir uns nicht."
Die EU-Kommission wollte ebenfalls keinen Kommentar abgeben. Von BMW war keine Stellungnahme zu erhalten, das Bundeskartellamt wollte sich nicht äußern.
Wie das Nachrichtenmagazin weiter berichtet, legten die Absprachen die Basis für den VW-Dieselskandal. Denn die Autobauer koordinierten sich im "5er-Kreis", wie die Gruppen wegen der beteiligten fünf Marken genannt worden seien, auch über die Größe der Tanks für das Harnstoffgemisch AdBlue.
AdBlue wird gebraucht, um Stickoxide zu neutralisieren. Aus Kostengründen hätten sich die Hersteller auf kleine Tanks verständigt. Doch diese reichten nicht mehr für strengere Abgaswerte aus, deshalb hätten die Unternehmen getrickst, so das Magazin.
Im September 2015 hatte VW zugegeben, millionenfach Dieselmotoren manipuliert zu haben, deren Abgasreinigung nur auf dem Prüfstand zufriedenstellend arbeitete. Auch gegen Daimler ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Abgasmanipulation.
"Eine Art Beifang"
Im Kartellrecht sind Vereinbarungen verboten, die den Wettbewerb beschränken. Denn solche Absprachen können etwa Preise künstlich hoch halten oder die angebotenen Produktmengen verknappen - und damit Verbraucher schädigen. Verfahren haben bereits zu Millionenstrafen in verschiedenen Industriezweigen geführt.
Hintergrund der Kartellvorwürfe sind laut "Spiegel" Ermittlungen wegen des Verdachts auf Absprachen von Stahlpreisen. Das Kartellamt hatte im vergangenen Sommer Büros von Autobauern und Zulieferern durchsucht. Die Ermittler nahmen unter anderem VW, Daimler und BMW sowie die Zulieferer Bosch und ZF unter die Lupe, wie Sprecher der Konzerne damals bestätigten.
Ein Sprecher des Kartellamts sagte dazu: "Es wurden sechs Unternehmen durchsucht, insgesamt waren 50 Mitarbeiter des Bundeskartellamts beteiligt." Zur Frage, ob bei diesen Aktionen auch Hinweise auf weitergehende mögliche Verstöße gefunden wurden, wollte sich das Amt nicht äußern. Nach Einschätzung des "Spiegel" fanden sich die Hinweise auf mögliche illegale Absprachen als "eine Art Beifang".
bea/wen (dpa, rtr)