SPD und Grüne planen Minderheitsregierung
17. Juni 2010SPD und Grüne wollen in Nordrhein-Westfalen Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) mit einer Minderheitsregierung ablösen. Das teilten die SPD-Landesvorsitzende Hannelore Kraft und Grünen-Fraktionschefin Sylvia Löhrmann am Donnerstag (17.06.2010) in Düsseldorf mit.
Wahl schon im Juli
Die Sozialdemokratin will sich schon in der nächsten Plenarsitzung am 13. oder 14. Juli zur Ministerpräsidentin wählen lassen. Die Wahl einer rot-grünen Regierung ist möglich, weil im Parlament im vierten Wahlgang die einfache Mehrheit genügt. Es gilt als eher unwahrscheinlich, dass die Linkspartei ihre elf Stimmen dem amtierenden Regierungschef Rüttgers gibt. Aber auch ohne deren Stimmen käme Rot-Grün zu einer einfachen Mehrheit. CDU und FDP verfügen zusammen über 80, SPD und Grüne gemeinsam über 90 Stimmen.
Nach der Wahl am 9. Mai hatten weder Schwarz-Gelb noch Rot-Grün eine Regierungsmehrheit erringen können. Rot-Grün fehlt eine Stimme zur absoluten Mehrheit, bei einer Minderheitsregierung müssten sich SPD und Grüne im Parlament wechselnde Mehrheiten suchen.
Koalitionsvertrag abgearbeitet
Ausschlaggebend für den kurzfristigen Sinneswandel der SPD waren nach Angaben von Kraft Äußerungen von FDP-Landeschef Andreas Pinkwart. Dieser habe darin die schwarz-gelbe Koalition aufgekündigt.
Pinkwart hatte der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" gesagt, CDU und FDP hätten den Koalitionsvertrag der letzten Legislaturperiode "abgearbeitet". Die FDP wolle nun im Landtag auf eigene Rechnung für "Mehrheitsentscheidungen im Interesse des Landes" werben. Damit sei Rüttgers ein Regierungschef auf Abruf, so Kraft. SPD und Grüne würden nun Verhandlungen über eine Minderheitsregierung aufnehmen.
Pinkwart wies die Begründung Krafts als "völlig absurd" zurück und sprach von einem "Akt der Verzweiflung". Rüttgers nannte das Vorgehen der SPD-Landeschefin "unwürdig und unglaubwürdig". Er warf Kraft vor, sie begehe "die schlimmste Wählertäuschung, die es je in Nordrhein-Westfalen gegeben hat". SPD und Grüne wollten keine Minderheitsregierung bilden, sondern eine von der Linkspartei tolerierte Koalition, so Rüttgers.
Unmut bei den Grünen
Kraft hatte noch am Mittwoch erklärt, sie wolle vorerst keine Minderheitsregierung bilden, sondern aus dem Landtag heraus Gesetzespläne mit SPD-Handschrift durchsetzen. Jürgen Rüttgers wäre somit bis auf weiteres geschäftsführend im Amt geblieben. Kraft hatte eine rot-grüne Minderheitsregierung erst für den Herbst ins Auge gefasst - etwa, um die schwarz-gelbe Bundesratsmehrheit zu brechen und strittige Projekte der Bundesregierung zu stoppen. Als Beispiele nannte sie die Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke oder die Gesundheitsprämie.
Die Ablehnung einer Minderheitsregierung sorgte aber zunehmend für Unmut. Die Grünen in Land und Bund hatten den Druck auf die SPD verstärkt und die schnelle Bildung einer Minderheitsregierung gefordert. Kraft müsse sich noch vor der Sommerpause zur Ministerpräsidentin wählen lassen, hatten sie gefordert.
Kraft hatte in den vergangenen Wochen Sondierungsgespräche mit allen im Landtag vertretenen Parteien geführt. Eine große Koalition mit der CDU lehnte die SPD danach ab. Zuvor hatten die Sozialdemokraten auch ein rot-rot-grünes Bündnis ausgeschlossen, also ein Zusammengehen mit der Linkspartei und den Grünen. Eine sogenannte Ampel-Koalition scheiterte an den Differenzen zwischen Grünen und FDP.
Autorin: Pia Gram (dpa, apn, rtr)
Redaktion: Ursula Kissel