SPD schwört sich auf Europa ein
23. März 2019Ein europäischer Mindestlohn, die Besteuerung von international agierenden Konzernen, Umwelt- und Klimaschutz, eine humanere Flüchtlingspolitik - das sind einige der Forderungen, mit denen die SPD in den Europawahlkampf zieht. Auf einem Parteikonvent, dem höchsten Beschlussgremium zwischen Bundesparteitagen, gaben die Sozialdemokraten ihrem Wahlprogramm an diesem Samstag den letzten Schliff, bevor die Delegierten es mit ihrer Zustimmung offiziell auf den Weg brachten.
Die Stimmung war durchaus optimistisch - allen Umfragen zum Trotz. 27,3 Prozent - das ist das Wahlergebnis, das die deutschen Sozialdemokraten bei der letzten Europawahl 2014 eingefahren haben. Davon können sie heute nur noch träumen. 16 bis 19 Prozent, mehr sehen die Demoskopen derzeit nicht. "Wir stehen doch erst am Anfang des Wahlkampfes", erwidert Udo Bullmann, einer der beiden SPD-Spitzenkandidaten für die Europawahl leicht genervt, wenn man ihn mit den Zahlen konfrontiert. An die Delegierten gewandt sagte er am Samstag: "Lasst Euch nicht einreden, das ist alles so trübe mit den Sozialdemokraten in Europa. Wir kommen zurück."
Richtungsentscheidung
Die SPD setzt darauf, dass sie sich mit ihren Themen bis zum 26. Mai weiter profilieren kann und sie setzt auf ein deutlich gewachsenes Interesse der Bürger an Europa. Die Menschen seien "total bereit" für die Europawahl, betont auch Bullmanns Co-Kandidatin Katarina Barley, derzeit noch Bundesjustizministerin. Den Bürgern sei bewusst, dass es um eine "Richtungsentscheidung" gehe. Ein Grund dafür sei der Brexit. Dieser habe gezeigt, was passiert, "wenn man Nationalisten auf den Leim geht" und sich in eine "nationale Sackgasse" begebe, sagte Barley.
Viele Bürger fragten allerdings auch, was die EU eigentlich mit ihnen zu tun habe. "Unsere Antwort ist das soziale Europa." Die SPD werde sich in Brüssel für einen europäischen Mindestlohn einsetzen, der sich "natürlich an den wirtschaftlichen Gegebenheiten der jeweiligen Mitgliedsländer" orientieren müsse, erläuterte Barley. Die Lohnuntergrenze soll bei 60 Prozent des mittleren Lohns angesetzt werden. "Für uns in Deutschland würde das zwölf Euro bedeuten", so die SPD-Spitzenkandidatin unter dem Applaus der Delegierten.
Gegen die Hetzer von rechts
Viel Zuspruch bekam auch SPD-Chefin Andrea Nahles, die den Parteikonvent mit einer sehr kämpferischen Rede eröffnete. Mit Verve kanzelte sie Italiens Innenminister Matteo Salvini, AfD-Chef Alexander Gauland und Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban ab. "Wir lassen uns Europa nicht kaputtreden. Nicht von einem Salvini, nicht von einem Gauland, nicht von einem Orban." Sie glaube fest daran, "dass die Hetzer und ewig Gestrigen nicht durchkommen", so Nahles. Um die Probleme der EU zu lösen, brauche es "Europäerinnen und Europäer mit Herzblut."
Eine Kategorie, zu der Nahles die neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ganz offensichtlich nicht zählt. AKK, wie sie sich selbst abgekürzt, hatte vor kurzem mit einer "Ideensammlung" zu Europa auf Reformforderungen des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron geantwortet. Unter anderem befürwortet sie den Bau eines gemeinsamen Flugzeugträgers und fordert, den zweiten Sitz des EU-Parlaments in Straßburg abzuschaffen. Nahles empört das. "Wie kann man nur in einer solchen Situation, liebe Frau Kramp-Karrenbauer, einen europäischen Verbündeten, unseren engsten Partner, mit einer europapolitischen Symboldebatte um den Sitz in Straßburg provozieren?"
Auch innenpolitische Themen zählen
Nahles ging in ihrer Rede auch auf das Thema Rüstungsexporte ein und bekräftigte die SPD-Forderung nach einem langfristigen Embargo für Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien. So lange im Jemen Menschen sterben, Kinder hungern würden und Saudi-Arabien dort Kriegspartei sei, "so lange darf es keine weiteren Waffenlieferungen aus Deutschland geben".
Die Rüstungsexporte waren aber nicht das einzige Thema auf dem Parteikonvent, das nur bedingt mit der Europawahl zu tun hat. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hielt eine Rede, in der er die Forderung nach einer bedingungslosen Grundrente noch einmal verteidigte. Ein Thema, das auf europäischer Ebene keine Rolle spielt.
Zwei Wahlen an einem Tag
Das hängt damit zusammen, dass am 26. Mai nicht nur das Europaparlament gewählt wird, sondern auch in Bremen eine neue Bürgerschaft. Die SPD regiert im Stadtstaat Bremen ununterbrochen seit 1945. Das Bundesland hat für die Partei also eine hohe symbolische Bedeutung. Würde die SPD am 26. Mai in Bremen verlieren, wäre das ein schwerer Schlag für die ohnehin bundesweit angezählte SPD.
Zuspruch erhofft sich die Partei durch ihre klare Position im Streit um Uploadfilter. Im Zuge der geplanten europaweiten Urheberrechtsreform will die SPD-Gruppe im Europaparlament in der kommenden Woche gegen den umstrittenen Artikel 13 stimmen. Dafür gab es Unterstützung auf dem Parteikonvent mit nur einer Gegenstimme. Die SPD stehe zwar an der Seite der Urheber, Kreativen und Künstler, doch setze man sich auch für die Freiheitsrechte in digitaler Zeit ein. Statt Videos und Musik herauszufiltern, sollten sie gemäß Urheberrecht bezahlt werden.