SPD: Gekämpft und verloren
24. September 2017Um 18.42 Uhr war der Wahlabend gelaufen. Da hatte Kanzlerkandidat Martin Schulz die Bühne im Willy-Brandt-Haus verlassen und gesagt, was nach dem historisch schlechtesten Ergebnis für die SPD bei einer Bundestagswahl zu sagen war. Von einem "schweren und bitteren Tag" hatte er gesprochen und davon, dass man nicht darum herum reden könne, dass die Sozialdemokraten ihr Wahlziel verfehlt hätten. Applaus bekam er trotzdem. Die Genossen, das ist zu spüren, geben ihm nicht die Schuld für die Wahlniederlage. Schulz ist erst seit Anfang des Jahres in der Verantwortung. Er hat gerackert und gekämpft und im Wahlkampf alles gegeben. Das weiß die Partei und das rechnet sie ihm hoch an.
Es sind die Jahre als Juniorpartner in der Regierung mit CDU und CSU, die verantwortlich dafür gemacht werden, dass die Partei nun so klein ist. Dass sie das Vertrauen ihrer Wähler verloren hat, dass so viele abgewandert sind. Die Genossen haben die Nase voll und das Gefühl, sich in den zwei Großen Koalitionen 2005 und 2013 so weit verbogen zu haben, dass viele sozialdemokratische Werte auf der Strecke geblieben sind. "No more GroKo" steht auf einem Schild, das ein Parteianhänger hoch hält und dazu reckt er mit zusammen gepressten Lippen trotzig sein Kinn nach vorne. "Wenn es jetzt wieder eine Große Koalition geben soll, dann steige ich auf dem Tisch", sagt ein anderes Parteimitglied.
Schockstarre um 18 Uhr
20 Prozent für die SPD – als die erste Prognose über die Bildschirme im Willy-Brandt-Haus läuft, herrscht geradezu gespenstische Stille. Niemand sagt etwas, für ein paar lange Minuten scheinen alle nur geschockt. Nach den Meinungsumfragen der vergangenen Wochen hatten die meisten zwar mit einem schlechten Ergebnis gerechnet. Aber so schlecht? Da tröstet es wenig, dass auch die Union Federn lassen musste und ebenfalls historisch schlecht abgeschnitten hat.
Es kommt gut an, dass die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, die frühere Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig, schon kurz nach der Prognose sagt, dass die SPD in die Opposition gehen wird. Da kommt Bewegung in die Menschen, die im Willy-Brandt-Haus darauf warten, dass Martin Schulz sich zeigt. Er lässt seine Partei nicht lange warten. Eine halbe Stunde nach der Prognose betritt der 61-jährige die kleine Bühne, die im Foyer der SPD-Zentrale auf ihn wartet. Er wirkt niedergeschlagen, aber auch gefasst. Er, der sehr gut frei reden kann, hat ein Manuskript mitgebracht, an dem er sich festhalten kann.
Er will die SPD wieder aufbauen
Doch Schulz hält sich nicht lange mit der Niederlage auf. Er will Parteivorsitzender bleiben, daran lässt er keinen Zweifel. Er will nach vorne blicken und weiter kämpfen. In einer anderen Rolle nun, als jemand, dessen alleinige Aufgabe darin bestehen soll, die Partei zu erneuern und wieder so aufzustellen, dass sie eine Zukunft hat. Auch das kommt gut an im Willy-Brandt-Haus.
Als größte Oppositionspartei im Bundestag werde die SPD ihren "Kampf für Demokratie, für Respekt, für Toleranz weiterführen", so Schulz. "Mit ganzer Kraft, mit Vehemenz und mit Leidenschaft." Das sei vor allem im Licht des Wahlergebnisses "der extremen Rechten" wichtig. "Wir sind das Bollwerk der Demokratie in diesem Land." Allerdings will Schulz die SPD-Fraktion nicht führen, den Vorsitz soll jemand anders in der Partei übernehmen. Vielleicht Andrea Nahles, die bisherige Bundesarbeitsministerin? Sie steht auf der Bühne neben Martin Schulz, doch jetzt ist nicht die Zeit, über Personalien zu reden.
Kampfansage an die AfD
Der SPD-Chef will sich jedenfalls ganz darauf konzentrieren, seine Partei wieder aufzurichten und nicht nur das. "Diese Partei hat schon viele bittere Stunden erlebt", sagt Schulz, "aber noch immer hat die deutsche Sozialdemokratie die Kraft aufgebracht, wenn der Rechtsextremismus seine Fratze zeigt, die Demokratie in diesem Land zu schützen." Das sei die Aufgabe der SPD, ruft der Vorsitzende unter dem Applaus und Jubel seiner Anhänger.