Sparschwein erneuerbare Energien
7. Juni 2011
Noch viel zu häufig legen derzeit die tonnenschweren Dieseltanker im Industriehafen der Kap Verden an. Sie bringen Kraftstoff für die Stromgeneratoren des kleinen, ressourcenarmen Inselstaats im Atlantik. In dem westafrikanischen Staatenbund ECOWAS, in dem neben Kap Verde noch 14 weitere Mitgliedsstaaten wie Ghana, Mali oder Niger vertreten sind, werden insgesamt 60% des Stroms mit Öl erzeugt. Das ist nicht nur klimaschädlich sondern gerade in Zeiten steigender Ölpreise teuer. Weil Sonne und Wind im Gegensatz zu Ölkonzernen keine Rechnung stellen, kann eine Umstellung auf erneuerbare Energien eine kostengünstige Alternative sein.
Doch nur 20% der Haushalte in westafrikanischen Ländern sind überhaupt ans Stromnetz angeschlossen. Ein umfassender Netzausbau ist hier nicht zwingend die Antwort. „Schon heute sind vor allem in ländlichen Regionen Westafrikas dezentrale wind- oder solarbetriebene Energielösungen für Selbstverbraucher kostengünstiger als Strom aus teuren Dieselgeneratoren,“ sagt Martin Lugmayr. Der Experte für erneuerbare Energien treibt im Auftrag der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft die Umstellung auf erneuerbare Energien voran. Bereits nach wenigen Jahren hätten sich die Anfangsinvestitionen in vielen Fällen gelohnt.
Effizienz und Einsparung
Auch wenn der Pro-Kopf-Stromverbrauch in Entwicklungsländern im Vergleich zu Industriestaaten relativ gering ist, können auch hier Einsparmaßnahmen getroffen werden. Kosten für Klimaanlagen und elektrische Warmwassererhitzer, die laut Lugmayr oft über 50% des Stromverbrauchs von westafrikanischen Hotelanlagen und Bürogebäuden ausmachen, können durch effizientere Geräte und eine effektivere Bauweise erheblich reduziert werden. Auch solarthermische Anlagen, die mit der Kraft der Sonne direkt Wasser erhitzen, sind eine echte Alternative zu Stromdurchlauferhitzern, die zwar in der Anschaffung oftmals günstig, doch im Betrieb sehr teuer sind. „Nach bereits drei bis vier Jahren haben sich solche Systeme für Hotelanlagen unter sehr guten Sonnenbedingungen oftmals bereits amortisiert.“
Vermeidung von Folgeschäden
„Die Anzahl und Extreme der Wetterereignisse haben in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Daran hat der Klimawandel sicher einen Anteil,“ so Michael Able, von der Munich RE, einem der weltweit größten Rückversicherer. Able betont, dass vor allem die Entwicklungsländer häufig betroffen sind. Er sieht in den erneuerbaren Energien ein großes Potenzial zur Kostenvermeidung von Klimafolgeschäden: „Welcher Anteil der Schäden auf den Klimawandel und welche auf andere Faktoren zurückzuführen sind, ist schwer zu beziffern. Dass die Schäden steigen ist ein Fakt, und wir glauben, dass der Klimawandel einen Anteil daran hat. Maßnahmen gegen den Klimawandel wie etwa die allmähliche Umstellung der Energieversorgung weg von fossilen, hin zu den erneuerbare Energien, ist in unseren Augen deshalb auch wirtschaftlich sinnvoll.“
Investitionen in Erneuerbare lohnen sich
Um eine Energieversorung aus 100% Erneuerbaren zu erreichen, müssen die Netze auf die besonderen Anforderungen der stark fluktuierenden Einspeisungen aus Sonne und Wind umgebaut werden. Vor allem in Industriestaaten sind die Netze auf unflexible Großkraftwerke wie Kohle- oder Atommeiler ausgelegt, die kontinuierlich Tag und Nacht Strom ins Netz einspeisen. Erneuerbare Energien jedoch sind tages- und wetterabhängig, ihre Stromproduktion schwankt stark. Neue Netze müssen blitzschnell große Mengen Strom aufnehmen und sie dorthin weiterleiten, wo gerade Bedarf herrscht - zum Beispiel, wenn im Norden der Wind stark weht, aber im Süden Flaute herrscht.
Ein sogenanntes Smart Grid hilft Verbrauchern auf lange Sicht sogar bares Geld zu sparen. Intelligente Stromzähler im Haushalt können erkennen, wann der Strom besonders günstig ist - Wasch- und Spülmaschinen beispielsweise können dann automatisch anspringen. Die Wirtschaftsexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht „enorme Einsparpotenziale" bei einem Umbau hin zu einem intelligenten Netz: „Simulationen für Europa zeigen, dass Effizienzsteigerungen des Netzes insgesamt bis zu 2 Milliarden Euro Kosten einsparen lassen.“
Auch für die Wirtschaft kann sich die Investition in Erneuerbare lohnen. Kemfert prognostiziert bei einem konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien ein Wachstum des deutschen Bruttoinlandsprodukts, das im Jahr 2030 um fast drei Prozent höher liegen soll, als ohne den Ausbau der Erneuerbaren. Das liegt auch an steigenden Jobmöglichkeiten, die in der Branche der Erneuerbaren entstehen.
Neue Beschäftigungsmöglichkeiten durch den Ausbau der erneuerbaren Energien verspricht sich auch Martin Lugmayr für die westafrikanischen Länder im Staatenbund ECOWAS: „Von einem Boom solar- oder windbetriebener Lösungen für Lampen, Wasserpumpen oder medizinische Kühlung können kleine Servicebetriebe in ländlichen Gebieten profitieren.“ Lugmayr hofft, dass so ein Jobmotor entstehen wird, der den von Abwanderung betroffenen ländlichen Regionen wirtschaftlichen Auftrieb gibt.
Autorin: Kerstin Schnatz
Redaktion: Klaus Esterluß