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Politik

Sozialisten jubeln trotz fehlender Mehrheit

28. April 2019

Wahlsieger in Spanien sind auch die Rechtspopulisten "Vox". Das linke und rechte Lager blockieren sich nach wie vor. Premier Sanchez ruft zu Koaltionsverhandlungen auf. Von Bernd Riegert, Madrid.

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Spanien Parlamentswahlen in Madrid
Bild: AFP/J. Soriano

Als der Parteichef kurz nach Mitternacht, als alle Stimmen ausgezählt waren, ins Hauptquartier einzog, empfingen ihn auf der Straße Hunderte Anhänger, die die roten Fahnen der Sozialisten schwenkten. Pedro Sanchez winkte siegessicher, doch der Ministerpräsident weiß genauso gut wie seine Parteianhänger, dass es trotz der großen Stimmengewinne mit 29 Prozent nicht zu einer eigenen Mehrheit reicht. 

Auch wenn er wie bisher mit der linksradikalen "Unidas Podemos" koalieren sollte, kämen die beiden Parteien nur auf 165 Sitze in der Abgeordnetenkammer. Podemos hat fast so viele Sitze verloren wie die Sozialisten gewonnen haben. Bis zu einer absoluten Mehrheit würden elf Sitze fehlen.

Der 47 Jahre alte Ministerpräsident müsste sich erneut von den Separatistenparteien aus der Region Katalonien tolerieren lassen, um regieren zu können. Dieses Experiment ist allerdings im Frühjahr schon einmal schief gegangen. Da verweigerten die Katalanen ihre Zustimmung zum föderalen Haushalt, weil sie ihre separatistische Agenda nicht durchsetzen konnten. Regierungschef Sanchez blieb nur, die jetzt abgehaltenen Neuwahlen anzusetzen.

Spanien Parlamentswahlen in Madrid - Anhänger der PSOE
Jubel der Parteizentrale über 29 Prozent: Von Montag an muss eine Regierung gebildet werdenBild: picture-alliance/AP Photo/A. Comas

Noch während seine Partei feierte, begann Sanchez quasi mit der Regierungsbildung. Er lud alle Parteien zur Bildung einer "pro-europäischen" Regierung ein. Die einzige Voraussetzung für die Aufnahme von Gespräche seien "Respekt für die Verfassung und der Wunsch die soziale Lage zu verbessern". In den nächsten Tagen und Wochen wird sicher in wahrscheinlich zähen Verhandlungen zeigen müssen, wer dieser Einladung in Feierlaune folgen wird. 

Christdemokraten am Boden, Rechtsaußen jubelt

Auf der rechten Seite des politischen Spektrums in Spanien fahren die Rechtspopulisten den erwarteten Blitzsieg ein. Der Jubel der Anhänger mit ihren giftgrünen Fahnen und vielen spanischen Flaggen auf dem Platz "Margaret Thatcher" in Madrid war entsprechend euphorisch. Vor drei Jahren erreichte Vox unter Parteiführer Santiago Abascal nur 0,2 Prozent der Stimmen, jetzt sind es um die zehn Prozent. Die nationalistische "Vox", die vor allem den Kampf gegen Separatisten innerhalb Spaniens auf ihre Fahnen geschrieben hatte, kommt auf 24 Mandate im neuen Abgeordnetenhaus.

Spanien Madrid Parlamentswahlen Vox-Partei Santiago Abascal
Vox-Chef Abascal: Aus dem Stand 24 Sitze für Rechtspopulisten im AbgeordnetenhausBild: picture-alliance/AA/S. Bolelli

Es ist das erste Mal seit dem Ende der faschistischen Diktatur von General Franco 1975, dass eine Rechtsaußen-Partei in das nationale spanische Parlament einziehen kann. Der Generalsekretär von Vox lobte den "historischen Sieg" vor einer großen Menschenmenge, die "Ole!" und "Viva Espana!" skandierte.

Dagegen schrumpft die bisher stärkste Fraktion, die christdemokratische Volkspartei, dramatisch. Der neue Parteichef der Volkspartei, Pablo Casada, verliert fast die Hälfte der Mandate und ist der größte Verlierer des Abends. Die "Vox" spaltete sich 2012 von der Volkspartei ab, der sie jetzt eine große Zahl an Stimmen von Protestlern, Enttäuschten und Wutbürgern abnahm, meinte der Wahlforscher Kiko Llarnes in einer ersten Analyse für den Fernsehkanal TVE1.

Spanien Barcelona Parlamentswahlen Wahllokal
Hohe Wahlbeteiligung: Spanierinnen und Spanier standen Schlange im Wahllokal in BarcelonaBild: picture-alliance/AP Photo/E. Morenatti

Die rechtsliberale Partei "Die Bürger" konnte ebenfalls stark zulegen. Sie wird mit 57 Abgeordneten im Parlament vertreten sein. Das sind 25 mehr als bisher. Selbst wenn die Liberalen, die geschwächte Volkspartei und die Rechtspopulisten koalieren sollten, kämen sie zusammen genommen nicht auf die absolute Mehrheit der Sitze. Die liberalen "Bürger" hatten sich vor der Wahl auch nicht eindeutig festgelegt, ob sie eine Mitte-Rechts-Koalition eingehen würden, so wie sie das in der Region Andalusien bereits getan haben.

Linkes Lager stärker als das rechte, aber keine Mehrheit

Unterm Strich bleibt nach der Wahl die Lage die gleiche wie vor der Wahl: Es gibt eine Spaltung zwischen links und rechts. Keine Seite hat eine eigene Mehrheit. Die Instabilität bleibt. In den Wahlsendungen der spanischen TV-Sender wird deshalb schon munter spekuliert, ob der Chef der Sozialisten, Pablo Sanchez, und der Chef der "Bürger", Albert Rivera, ihre auch persönlich gefärbte Abneigung überwinden und doch eine Koalition bilden können. Die war vor der Wahl allerdings ausgeschlossen worden. Es ist auch möglich, dass die geschwächten Konservativen eine sozialistische Minderheitsregierung tolerieren.

Die Wahlbeteiligung mit 76 Prozent war diesmal rekordverdächtig hoch, obwohl die Spanierinnen und Spanier bereits zum dritten Mal in vier Jahren an die Urnen gerufen wurden. 75 Prozent der 37 Millionen Wahlberechtigten gaben ihre Stimme bei sonnigem Frühlingswetter ab. In den letzten zwei Stunden vor Schließung der Wahllokale bildeten sich mancherorts sogar Schlangen. "Wir sind nicht wahlmüde", sagte die Wählerin Julia Gonzalez der DW im Wahllokal in Madrid. "Wir wünschen uns nur stabile Verhältnisse, damit die Dinge besser werden können." In einem Monat sind die Spanierinnen und Spanier bereits wieder gefordert. Dann entscheiden sie, wie der Rest der Europäischen Union, über das Europäische Parlament. Spanien schickt 54 Abgeordnete nach Straßburg. 14 davon würden die Sozialdemokraten erhalten. Die rechtspopulistische Partei "Vox" käme nach letzten Umfragen aus dem Stand auf 8 Sitze. Der Trend der nationalen Wahlen heute würde sich auf europäischer Ebene fortsetzen.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union