Spanien ruft erneut Corona-Notstand aus
25. Oktober 2020Die Geschichte scheint sich zu wiederholen: Zum zweiten Mal seit Ausbruch der Corona-Pandemie zieht die Regierung in Madrid die Handbremse an und ruft den sogenannten Alarmzustand aus. Die dritthöchste Notstandsstufe des Landes wurde am Sonntagnachmittag bei einer außerordentlichen Ministerratssitzung beschlossen. Sie soll noch am selben Tag durch die Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft treten. Damit einher geht die Anordnung einer nächtlichen Ausgangssperre zwischen 23 Uhr und 6 Uhr morgens.
Ministerpräsident Pedro Sánchez erklärte, er hoffe den Notstand, der zunächst nur für zwei Wochen gilt, mit Hilfe der Opposition bis zum 9. Mai verlängern zu können. "Spanien ist ein einer extremen Lage", so Sánchez. Der Chef der linken Minderheitsregierung betonte, er sei von zehn der insgesamt 17 spanischen Regionen um diesen drastischen Schritt gebeten worden. Nur unter dem Notstand darf die Regierung die Bewegungsfreiheit der Menschen einschränken. Vom 14. März bis zum 20. Juni herrschte sogar eine totale Ausgangssperre.
Trauriger Rekord
Spanien ist eines der am schwersten von der Pandemie betroffenen Länder in Westeuropa. Am vergangenen Mittwoch wurde die Marke von einer Million Corona-Infektionen durchbrochen. Knapp 35.000 Menschen starben an den Folgen von COVID-19. Die Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen liegt bei 191,11 – mit steigender Tendenz.
Lediglich auf den kanarischen Inseln konnten die lokalen Behörden das Virus wieder einigermaßen unter Kontrolle bekommen. Sie sind deshalb vom verhängten Notstand ausgenommen. Deutschland und Großbritannien hatten die besonders stark vom Tourismus abhängigen Inseln im Atlantik bereits vor wenigen Tagen von der Liste der Risikogebiete gestrichen.
Alltagsbeschränkungen in Europa
In Frankreich, Europas zweitem großen Sorgenkind, wurde ebenfalls die Millionen-Marke inzwischen überschritten. Am Wochenende wurden mit rund 45.000 neuen Infektionen pro Tag ebenfalls neue Höchstwerte registriert. Seit Samstag gilt in dem Land eine nächtliche Ausgangssperre für rund zwei Drittel der Bevölkerung, und das Parlament hat jüngst für eine Verlängerung des Gesundheitsnotstands bis zum 16. Februar gestimmt, damit weitere Maßnahmen dieser Art im Schnellverfahren getroffen werden können.
In Osteuropa sieht die Lage nicht viel besser aus. Länder wie Tschechien, die Slowakei oder Polen verhängen immer mehr Alltagsbeschränkungen, um die zweite Corona-Welle zu bremsen und einen kompletten Lockdown zu vermeiden. In Polen, wo Präsident Andrzej Duda positiv getestet wurde, bleiben Restaurants geschlossen.Versammlungen mit mehr als fünf Personen sind verboten. In der Slowakei dürfen Menschen bis zum 1. November ihre Wohnungen nur noch für den Weg zur Arbeit sowie dringende Besorgungen verlassen. Seit Freitag laufen schnelle Antigen-Tests für die gesamte Bevölkerung, die binnen drei Wochen abgeschlossen sein sollen. Zuvor musste Ministerpräsident Igor Matovic täglich neue Negativrekorde verkünden.
Infektionszahlen in Deutschland auf Höchststand
Auch in Deutschland hat die Zahl der Neuinfektionen den höchsten Stand seit Beginn der Pandemie erreicht. Von Freitag auf Samstag wurden dem Robert Koch-Institut 14.714 neue Infektionen gemeldet. Allerdings war es am Donnerstag durch den Ausfall eines Webservers zu Lücken bei der Übermittlung der Daten gekommen, sodass dieser Rekordwert vermutlich Nachmeldungen enthält. Von Samstag auf Sonntag wurden 11.176 neue Fälle übermittelt. An Sonntagen sind die Fallzahlen allerdings meist niedriger, weil an den Wochenenden weniger getestet wird. Nach RKI-Angaben liegt inzwischen in 250 Kreisen die Inzidenz oberhalb des kritischen Werts von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen. Der höchste Wert wurde im Landkreis Berchtesgadener Land gemessen (250,2), gefolgt von Delmenhorst (241,1) und Berlin-Neukölln (235,1).
Mit einer eindringlichen Mahnung meldete sich der selbst infizierte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) von zu Hause aus zu Wort. "Es ist ernst", sagte er mit Blick auf die neue Rekordzahl vom Samstag in einem Facebook-Video. Er rief zu einem "Kraftakt" auf, um die Corona-Infektionskurve wieder abzuflachen. Dafür sei notwendig, dass sich alle an die Vorsichtsmaßnahmen halten, um das Risiko einer Ansteckung zu reduzieren.
Ihm selbst gehe es "den Umständen entsprechend ganz gut", so Spahn weiter. Die bei ihm aufgetretenen Erkältungssymptome seien bislang nicht stärker geworden. Der Minister zeigte sich zudem erfreut darüber, dass seine Mitarbeiter bislang alle negativ getestet worden seien. Ausdrücklich bedankte er sich bei dem für ihn zuständigen Gesundheitsamt für die professionelle Zusammenarbeit, die er nun nicht als Minister, sondern aus der Perspektive als Bürger erlebe.
djo/hf (afp, dpa)