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"Spaltung muss verhindert werden"

2. April 2011

Auch wenn der international anerkannte Wahlsieger Ouattara sich in der Elfenbeinküste durchsetzen sollte, darf es nicht zu einer Spaltung des Landes kommen. Das betont der Afrika-Beauftragte der Bundesregierung, Lindner.

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Walter Lindner (Foto: dpa)
Walter LindnerBild: picture-alliance/dpa

DW-WORLD.DE: Herr Lindner, Sie sind in den letzten Monaten zweimal in der Elfenbeinküste gewesen. Wie schätzen Sie die Chance ein, dass Laurent Gbagbo doch noch die Macht abgibt, statt sich zum Märtyrer zu stilisieren?

Walter Lindner: "Ich war in der Tat in den letzten Monaten zweimal in Abidjan, hatte aber mit Gbagbo persönlich nicht gesprochen, und zwar aus gutem Grunde: weil wir den ja nicht aus seiner politischen Isolation rausholen wollten. Mit wem ich gesprochen habe, war aber mit seiner rechten Hand, mit dem selbst ernannten Außenminister des Gbagbo-Regimes, dem Herrn Djédjé.

Und der hat beim letzten Aufenthalt, als ich da war, vor vier Wochen, ganz klar gesagt: Wir geben nicht auf. Wir – also das Gbagbo-Regime – würden niemals zulassen, dass ein Ouattara Präsident wird. Lieber sterben wir. Ob das jetzt Pathos war oder nicht – er hat schon eine gewisse Entschiedenheit zu erkennen gegeben. Ob Gbagbo das genau so denkt oder formuliert hätte, weiß ich nicht. Aber jedenfalls war das die Auskunft seiner rechten Hand.“

Was kommt auf Alassane Ouattara zu, wenn sein Widersacher Laurent Gbagbo die Macht abgibt oder gestürzt wird?

Wichtig ist, an den Tag danach zu denken. Und das hatten wir seit Wochen den Ouattara-Leuten auch so mitgegeben: Macht euch einen Plan, wie es weitergeht, denn die Wahlen waren ja damals 46 zu 54. Es waren also immerhin 46 Prozent auf der Seite von Gbagbo. Das heißt, es darf hinterher nicht zu einer Spaltung kommen. Erste Pflicht müsste es sein, einen versöhnlichen Ton anzuschlagen und ja zu verhindern, dass es eine Nord-Süd-Spaltung gibt. Das wird die große Herausforderung sein für einen Ouattara und für eine Ouattara-Regierung.

Welche Rolle kann Deutschland in einem solchen Versöhnungsprozess spielen?

Wir waren bis jetzt schon sehr aktiv dabei. Natürlich sind die Franzosen zuerst mal im Führersitz, weil sie das Land besser kennen als wir alle. Aber Minister Westerwelle hatte mich zweimal schon runtergeschickt, um dort vor Ort unsere eigenen Erfahrungen einzubringen: also Koalitionsbildung, Machtteilung, Mechanismen also, die wir zum Beispiel auch in Kenia schon eingebracht hatten, wenn es darum geht, einzelne Ethnien zu versöhnen. Wir können aus Deutschland eine Menge einbringen. Wir haben Erfahrung mit Koalitionen, Erfahrungen mit Föderalismus, Erfahrungen im Kalten Krieg, mit Wiedervereinigung. Also wir haben eine ganze Menge an Sachen, die wir sozusagen als German Footprint zusätzlich noch einbringen können.

Braucht die Republik Elfenbeinküste so etwas wie eine Wahrheits- und Versöhnungskommission?

Das war ohnehin von Ouattaras Leuten schon vorgesehen, dass hinterher aufgearbeitet werden soll, was in den letzten Wochen tatsächlich stattfand. Und da kann keine Seite ausgeschlossen sein, sowohl die Gbagbo-Leute – die wird es hauptsächlich betreffen -, aber eben auch, wenn es Übergriffe gab, die Ouattara-Leute. Was dann getan wird, um zu verhindern, dass es eine Spaltung gibt im Land, und dass man eben auf Versöhnung schaltet, auf ausgleichende Interessen, auf die Gemeinsamkeiten [wird man sehen]… Die haben ja so viele gemeinsame Interessen: Die müssen den Kakao verkaufen, die müssen die Grenzen wieder aufbekommen und sie müssen die Wirtschaft wieder ankurbeln. Das betrifft beide Seiten. Auf das hinzuwirken, ist erst mal das Allerwichtigste. Ob die Regierung das dann durch Versöhnungskommissionen macht, muss man abwarten.

Wie beurteilen Sie die Rolle der Afrikanischen Union in der Krise um die Elfenbeinküste. Muss man ihr Scheitern vorwerfen? Immerhin hat sie einen Wiederausbruch des Bürgerkrieges nicht verhindert.

Scheitern würde ich nicht sagen. Denn, ich glaube, sie hat relativ rasch genau das gemacht, was auch UN und Europäische Union gemacht haben, nämlich Ouattara als Sieger der Wahlen anerkannt und Gbagbo aufgefordert, das anzuerkennen und die Usurpation des Präsidentenpalastes aufzugeben. Das war relativ rasch. Jetzt gibt es aber das Prinzip innerhalb der Afrikanischen Union, dass die einzelnen Regionalorganisationen, in diesem Fall die so genannte Ecowas, die westafrikanische Organisation, sich mit dem Konflikt beschäftigt.

Hier hatte sich die Ecowas in der Tat schon relativ rasch mit Nigeria an der Spitze dafür stark gemacht, eine drastische Lösung herbeizuführen, also klar zu sagen: Gbagbo, deine Tage sind gezählt, Sanktionen und als ultima ratio eventuell eine Militäroption. Deswegen hat die Afrikanische Union das zunächst mal der Regionalorganisation überlassen, hat sich aber auch immer wieder mit Vermittlungsmissionen eingemischt. (…) Sie haben das diplomatische Instrumentarium schon ausgereizt. Aber es sind eben 54 Staaten, da gibt es eben auch die einen, die zur Vorsicht aufrufen, und die anderen, die eher ein bisschen robuster vorgehen wollen. Aber ich glaube, was sie machen konnten in diesem 54er-Kreis, das haben sie gemacht. Letztlich scheiterte es daran, dass dieser Gbagbo einfach uneinsichtig war, völlig uneinsichtig, und sich diesen Ratschlägen und Vermittlungsbemühungen bis zuletzt völlig verschlossen hatte.

Walter Lindner ist der Afrika-Beauftragte der Bundesregierung.

Die Fragen stellte Dirke Köpp
Redaktion: Daniel Pelz / Reinhard Kleber