Spahn plant Corona-Maßnahmenpaket für den Herbst
4. August 2021Aus Sicht des Bundesgesundheitsministeriums sind zur Eindämmung einer neuen großen Corona-Infektionswelle in Deutschland in den kommenden Monaten weitere Vorgaben erforderlich. Eine vierte Welle kündige sich an - wenn auch noch (!) auf niedrigem Niveau, heißt es in einem Bericht des Ministeriums von Jens Spahn, der den Ländern und dem Bundestag zugesandt wurde. Er liegt der Deutschen Presse-Agentur, der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und der "Süddeutschen Zeitung" vor.
Neben einem Infektionsanstieg aufgrund der Reiserückkehrer verhalte sich auch die Bevölkerung in ihren Kontakten fast wieder so wie vor der Pandemie, heißt es in dem Papier. Im Herbst und Winter träten zudem saisonal verstärkende Effekte des Coronavirus wieder auf.
Gesichtsmaske bis "ins Frühjahr 2022"
Konkret sollen neben einer hohen Impfquote Basis-Maßnahmen wie Abstand, Hygiene und Maskentragen eingehalten werden - und zwar überall dort, wo in geschlossenen Räumen viele Menschen zusammentreffen. Was das Tragen einer medizinischen Schutzmaske angeht, will Spahn diese "bis ins Frühjahr 2022" insbesondere im öffentlichen Nah- und Fernverkehr sowie im Einzelhandel vorschreiben. Und zwar für alle und damit auch für Genesene und Geimpfte, die sich ebenfalls infizieren und das Virus übertragen können. Dies gilt laut Experten insbesondere für die hochansteckende Delta-Variante.
3G-Regel soll im September stärker greifen
Weiter erläuterte das Gesundheitsministerium, Impfen und Testen verhinderten mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass Personen mit hoher und damit infektiöser Viruslast einen Raum beträten. "Daher sollte unabhängig von der Inzidenz ab Anfang/Mitte September die Teilnahme an bestimmten Veranstaltungen in ganz Deutschland generell nur unter Einhaltung der 3G-Regel - geimpft, genesen oder getestet - möglich sein." Genannt werden Innengastronomie, Hotelübernachtungen, körpernahe Dienstleistungen, Sport und Veranstaltungen drinnen, Großveranstaltungen drinnen und draußen.
Die kostenlosen Schnelltests will das Ministerium Mitte Oktober abschaffen. Da mittlerweile allen Bürgern ein unmittelbares Impfangebot gemacht werden könne, sei eine dauerhafte Kostenübernahme durch den Steuerzahler nicht angezeigt, zitiert die "Süddeutsche Zeitung" aus dem Bericht.
Dürfen Ungeimpfte nicht mehr ins Restaurant?
Insbesondere Ungeimpften drohen abhängig von der Impfquote, der Inzidenz nach Altersgruppen und der Rate schwerer Klinikfälle noch weitergehende Einschränkungen. Dazu zählten insbesondere Kontaktbeschränkungen und die Begrenzung der Teilnahme oder der Ausschluss von Veranstaltungen und der Gastronomie (2G statt 3G), heißt es in dem Papier.
FDP spricht von Wortbruch
Scharfe Kritik an den Plänen kam von der FDP. Der Vize-Chef der Freien Demokraten, Wolfgang Kubicki, warf der Bundesregierung in der "Bild"-Zeitung Wortbruch vor. In Zielsetzung und Wirkung komme es einer direkten Impfpflicht gleich, wenn die Regierung nicht geimpfte Personen vom sozialen Leben ausschließe. Die Ankündigung, künftig Ungeimpfte vom Gastronomiebesuch ausschließen zu wollen, "ist der dreisteste und verheerendste Wortbruch dieser Bundesregierung, die wiederholt Stein und Bein geschworen hat, es werde keine Impfpflicht in Deutschland geben", sagte Kubicki. Dieser Wortbruch wiege noch schwerer, als die Unverhältnismäßigkeit "dieser angedrohten Impfpflicht".
Schulleiter erwarten Konflikte
Für Spannungen an Schulen könnte indes der Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz sorgen, 12- bis 17-Jährigen mehr Impfangebote zu machen. Die Vorsitzende des Allgemeinen Schulleitungsverbands Deutschland, Gudrun Wolters-Vogeler, befürchtet, dass es durch eine Zunahme von Corona-Impfungen für diese Altersgruppe zu heftigen Diskussionen zwischen Lehrern, Eltern und Schülern kommen wird. So werde es "erwartbare Konflikte geben um die Frage, ob Impfungen notwendig sind und ob Elternrechte übergangen werden", sagte Wolters-Vogeler den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Auch im Zusammenhang mit angeordneten Quarantänen könnten sich Spannungen entwickeln, weil bei einem positiven Fall in einer Klasse nur diejenigen Schülerinnen und Schüler zu Hause bleiben müssten, die gar nicht oder nicht doppelt geimpft sind.
Dass Kinder und Jugendliche zwischen 5 und 17 immerhin mit einem deutlich schnelleren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung rechnen können als Erwachsene, zeigt nun eine Studie britischer Forscher, die im Fachmagazin "The Lancet Child & Adolescent Health" veröffentlicht wurde. Demnach sind Heranwachsende mit COVID-19-Symptomen im Durchschnitt nach sechs Tagen wieder gesund. Die Wissenschaftler konnten im Vorfeld Krankheitsverläufe von über 1700 Personen analysieren, die über eine App nach einem positiven Test gemeldet wurde. Im Schnitt hatten die Kinder und Jugendlichen drei Symptome. Zu den häufigsten zählten Müdigkeit, Kopfschmerzen und der Verlust von Geschmacks- und Geruchssinn. Nur selten kam es vor, dass Kinder auch noch nach vier Wochen oder später Symptome zeigten. In der Untersuchung war das bei 4,4 Prozent der Fall.
Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz bei den Corona-Neuinfektionen stieg auf 18,5. Wie das Robert-Koch-Institut am Mittwochmorgen mitteilte, wurden binnen 24 Stunden 3571 Neuinfektionen sowie 25 weitere Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19 registriert. Vor einer Woche lag die Inzidenz noch bei 15,0.
se/ww (dpa, epd, rtr, rki, faz, sueddeutsche)