Sozialverbände kritisieren Freiwilligendienst
23. Juli 2020"Dein Jahr für Deutschland" - unter diesem Motto will Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer für den neuen Freiwilligendienst der Bundeswehr werben. Er soll den bestehenden Freiwilligendienst ergänzen, der nach Aussetzung der Wehrpflicht gestartet wurde und der vor allem der Rekrutierung von Zeit- und Berufssoldaten dient - als eine Art "Schnupperkurs". Der neue Dienst wird nach offizieller Lesart hingegen die Reserve für Krisenfälle wie die Corona-Pandemie stärken.
Die Sozialverbände sehen das mit großer Skepsis. Caritas-Präsident Peter Neher verwies auf bestehende Angebote, "sich im Sinne des gesellschaftlichen Zusammenhalts einzubringen". Konkret nannte er das Freiwillige Soziale Jahr, das Freiwillige Ökologische Jahr, den Bundesfreiwilligendienst und das Programm "Weltwärts" für Einsätze im Ausland. "Ob zusätzlich ein Dienst an der Waffe Sinn ergibt, möchte ich mindestens kritisch hinterfragen", sagte Neher dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Sechs Jahre dienstbereit
"Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschutz" nennt sich das Pilotprojekt, das Kramp-Karrenbauer an diesem Donnerstag vorstellen will. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" zitierte schon vorab aus einem Entwurf, wonach ab April 2021 jeweils 1000 Männer und Frauen pro Jahr antreten sollen. Sie leisten für sechs Monate freiwilligen Wehrdienst, aufgeteilt in drei Monate allgemeine Grundausbildung und drei Monate Spezialausbildung im Heimatschutz. Nach ihrer Rückkehr ins Zivilleben sollen sie innerhalb von sechs Jahren insgesamt mindestens weitere sechs Monate als Reservisten dienen.
Die Arbeiterwohlfahrt lehnt den Begriff des Freiwilligendienstes bei der Bundeswehr indes grundsätzlich ab. Die Bezeichnung müsse zivilgesellschaftlich geprägt sein und bleiben, sagte der Vorstandsvorsitzende Wolfgang Stadler dem RND.
"Kein S-Bahn-Ticket wird ersetzt"
Der Paritätische Wohlfahrtsverband wiederum konstatiert eine "große Ungerechtigkeit". Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider fürchtet, dass soziale Dienste im Wettbewerb mit der Bundeswehr benachteiligt werden. "Es geht nicht nur um hohe Werbeetats, sondern auch um Leistungen wie kostenlose Bahntickets der Bundeswehr", sagte Schneider ebenfalls dem RND. "Wo ist die Wertschätzung für die Arbeit, die unsere Freiwilligen im sozialen und ökologischen Bereich leisten?" Diese Menschen bekämen nicht einmal ihr S-Bahn-Ticket ersetzt, so der Verbandschef.
Die neue Initiative soll der Bundeswehr positive Schlagzeilen bringen. Zuletzt waren erneut rechtsextreme Vorfälle in der Truppe, auch im Kommando Spezialkräfte (KSK), aufgedeckt worden, woraufhin die neue Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) angeregt hatte, zur Wehrpflicht zurückzukehren.
Kramp-Karrenbauer will sich von diesem Vorschlag deutlich absetzen: Als sie ihren neuen Freiwilligendienst Anfang des Monats publik machte, unterstrich die CDU-Parteichefin, es gehe ihr nicht um eine Wiedereinführung der Wehrpflicht.
jj/sti (dpa, afp, epd)