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Sozialer Strom von der Genossenschaft

Jochen Faget
24. Juni 2022

Eine portugiesische Energiegenossenschaft macht soziale Einrichtungen in Portugal energieunabhängig. Coopérnico baut kleine Solarkraftwerke für Kindergärten und Schulen.

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Ansicht eines Kindergartens mit einer Fotovoltaikanlage auf dem Dach
Fotovoltaikanlage der Genossenschaft Coopérnico auf dem Dach eines Kindergartens in LissabonBild: Jochen Faget

"Wir haben nicht nur unsere Stromkosten radikal verringert, sondern verdienen auch noch rund 5000 Euro im Jahr mit der Energie, die wir ins öffentliche Netz einspeisen", freut sich Luís Besugo von der Hilfsorganisation APPACDM, die Menschen mit Behinderung betreut, aber auch Kindergärten im Großraum Lissabon betreibt.

"Als die Genossenschaft Coopérnico uns angeboten hat, unseren Strom selbst zu produzieren, haben wir sofort mitgemacht." Also wurden Solarpaneele auf den Häusern montiert, die inzwischen sechs Einrichtungen der Organisation mit Energie versorgen - zumindest solange die Sonne scheint.

Der Überschuss geht zu festgesetzten Preisen in die öffentliche Stromversorgung. Die Kosten der "Kleinkraftwerke" auf den Dächern hat die Energiekooperative übernommen und erhält dafür eine Entschädigung von der Hilfsorganisation. Das Wichtigste: beide Seiten sind mit der Regelung zufrieden.

Luís Besugo in einem kleinen Garten
Luís Besugo von der Hilfsorganisation APPACDM freut sich über die stark gesunkenen StromkostenBild: Jochen Faget

"Wir haben unsere Genossenschaft 2013 gegründet", berichtet Rui Pulido Valente, einer der Direktoren von Coopérnico. "Dabei ging es uns vor allem um ein Umdenken bei der Energieproduktion."

Erstens wollten die Genossenschaftsmitglieder nachhaltigen Strom aus erneuerbaren Quellen produzieren. Und zweitens dezentralisieren: viele kleine Produktionseinheiten schaffen statt großer Solarparks, die oft auf fruchtbarem Boden gebaut werden, der besser zur Nahrungsmittelproduktion genutzt werden könnte.

"Wir betreiben jetzt 33 Anlagen in ganz Portugal", freut sich Pulido Valente. "Und in den nächsten Jahren sollen es natürlich noch mehr werden."

Umdenken bei der Energieversorgung

Coopérnico, die kleine Energiegenossenschaft mit 2200 Mitgliedern, ist zu einer großen Erfolgsgeschichte in Portugal geworden. Auch finanziell, denn wenn Mitglieder in die Anlagen investieren, bekommen sie rund drei Prozent Zinsen für ihr Geld. Nicht übermäßig viel, aber immerhin mehr, als ihnen Banken derzeit für ihr Gespartes bieten.

"Wir wollen nicht den großen Stromanbietern Konkurrenz machen, sondern zu einem Umdenken bei der Energieversorgung beitragen", sagt Miguel Almeida, ein anderes Mitglied der Coopérnico-Direktion.

"Wir setzen auf Energiegemeinschaften, die sich selbst mit Strom versorgen und auf Energieeffizienz setzen, auch was das Bauen betrifft." Denn da gebe es in Portugal noch immer große Mängel, die Häuser seien schlecht wärmeisoliert und oft im Winter nur mit hohem Energieaufwand zu beheizen.

Vor allem aber geht es Coopérnico darum, Strom dort zu produzieren, wo er verbraucht wird. Etwa bei Cercimor, einer Hilfsorganisation für Menschen mit Behinderung im Alentejostädtchen Montemor-o-Novo südlich von Lissabon. Dort hat Coopérnico eine Solaranlage auf den Parkplatzüberdachungen installiert.

57.000 Euro hat das Kleinkraftwerk gekostet, das Heim und Tagesstätte jetzt mit Strom versorgt, später soll überschüssige Energie ebenfalls ins öffentliche Netz eingespeist werden. Das allerdings sei - so die Genossenschaft - wegen hoher bürokratischer Hürden und den Strompreisen nicht einfach in Portugal.

Macht nichts, meint Ana Cristina Saloio, die Leiterin von Cercimor. "Als soziale Einrichtung haben wir ja auch eine Verpflichtung. Und mit der Solaranlage versuchen wir den Bürgern zu zeigen, wie man verantwortungsvoll mit dem Gut Energie umgehen kann."

Solaranlagen für soziale Einrichtungen

Kirchliche Gemeindezentren und Schulen in der Algarve, Winzergenossenschaften oder Stadtverwaltungen in Mittelportugal und - das jüngste Projekt - ein Behindertenheim im nordportugiesischen Espinho haben inzwischen Verträge mit Coopérnico geschlossen und machen ihren Strom ganz einfach selbst.

Rui Pulido Valente
Will ein "Umdenken bei der Energieproduktion": Rui Pulido Valente von der Energiegenossenschaft CoopérnicoBild: Jochen Faget

Das Interesse an der genossenschaftlichen Energieproduktion ist groß, in nächster Zeit sollen vier bis fünf weitere Projekte dazukommen. Sehr zur Freude der Genossenschaftler, die mit den Projekten ja Geld verdienen.

"Wenn wir eine Finanzierung ausschreiben, sind die Beteiligungen in kürzester Zeit verkauft", berichtet Rui Pulido Valente. Oft beklagten sich sogar Genossenschaftsmitglieder, dass sie bei der Geldanlage nicht zum Zug gekommen seien.

Coopérnico soll darum weiter wachsen und einen wichtigen, wenn auch noch kleinen Beitrag zur Energiewende in Portugal leisten, das jetzt stark auf erneuerbare Energien setzt.

Das Fernziel: So viele Kleinkraftwerke bauen, dass die Genossenschaft als selbstständiger Anbieter von Sonnenenergie am portugiesischen Strommarkt mitmischen kann.

"Dafür müssen aber die noch bestehende Bürokratie abgebaut und der Zugang zum Stromnetz vereinfacht werden", fordert Rui Pulido Valente: "Small is beautiful - das sollten jetzt auch die Regierenden in Portugal verstehen."