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Gesellschaft

Müde von Social Media

17. August 2022

Immer präsent, gut drauf, perfekt gestylt - das Leben in den sozialen Netzwerken kann auf Dauer anstrengend sein. Immer mehr Promis setzen deshalb aufs digitale Fasten. Auch "Normalos" brauchen vielfach eine Pause.

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Influencer Instagram
Ständig online, ständig erreichbar - immer mehr Usern und Userinnen bereitet das Stress.Bild: Jens Kalaene/dpa/picture alliance

Für rund sechs Wochen war es auf den Social-Accounts von Schauspieler Tom Holland still geworden. Mit einem Video auf Instagram meldete sich der Spiderman-Darsteller schließlich wieder zurück  - nur um sich dann wieder von seinen Fans und Followern zu verabschieden.

"Ich habe eine Pause von den sozialen Medien eingelegt, um meine geistige Gesundheit zu schützen, weil ich Instagram und Twitter als zu stimulierend und überwältigend empfinde", sagte der 26-Jährige in einem Instagram-Video, das er am Sonntag veröffentlichte. Demnach gerate er in eine Spirale, wenn er online Dinge über sich lese. "Und das ist letztlich sehr schädlich für meinen geistigen Zustand."

Prominente Gesellschaft 

Die Liste von Promis, die sich in den vergangenen Jahren ganz bewusst eine längere Pause von sozialen Medien genommen haben, ist lang: Auch Musiker Ed Sheeran, Popstar Britney Spears, Sängerin Miley Cyrus, Schauspielerin Selena Gomez oder Sänger Justin Bieber - um nur einige zu nennen - legten einen sogenannten Digital Detox, also eine digitale Entgiftung, ein. Die Gründe waren ganz unterschiedlich: zu viel Hasskommentare, zu viel Bildschirmzeit, zu viel Selbstinszenierung. 

Spider-Man: No Way Home Photocall at Old Sessions House, London
Spiderman-Darsteller Tom Holland will mit einer digitalen Pause seine "geistige Gesundheit schützen"Bild: Justin Ng/Avalon/Photoshot/picture alliance

Auch in der Politik sind soziale Medien umstritten: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck etwa hatte Twitter bereits 2019 verlassen und ist auch bis dato nicht zurück gekehrt - obwohl andere Politiker die Plattform nahezu im Stundentakt als Sprachrohr verwenden. "Das war eine der weisesten Entscheidungen, die ich in meinem Leben getroffen habe, da rauszugehen", sagte Habeck in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" Anfang 2021. In seinem Blog schrieb er damals: "Twitter ist wie kein anderes digitales Medium so aggressiv und in keinem anderen Medium gibt es so viel Hass, Böswilligkeit und Hetze." 

Zwischen Depression und Anerkennung 

Der Wunsch nach einer digitalen Pause ist auch bei ganz normalen Usern groß. Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom will ein Zehntel der Menschen in Deutschland im Jahr 2022 wieder mehr Zeit offline verbringen - und rund 43 Prozent haben dies in der Vergangenheit schon ganz bewusst getan, um sich wieder besser zu fühlen. 

Doch wie "schlimm" sind soziale Medien wirklich? Zahlreiche Studien haben sich bereits mit den Auswirkungen von Instagram, Twitter und Co. beschäftigt - doch die Antworten sind nicht ganz so eindeutig, wie man meinen könnte.

Die Universität Bath stellte beispielsweise in einer Umfrage im Frühjahr 2022 fest, dass bereits eine digitale Auszeit von einer Woche das allgemeine Wohlbefinden verbesserte, Ängste und Depressionen abnahmen. Dass die Ergebnisse so ausfielen, könnte aber auch an der Rekrutierung der Teilnehmenden gelegen haben. Immerhin mussten sie vor dem Start einwilligen, eine Woche auf soziale Medien zu verzichten -  und waren so möglicherweise schon stärker motiviert, eine Pause einzulegen.

"Bewusst versacken"

Auch andere Studien sehen einen Zusammenhang zwischen Nutzungsdauer und Depressionen. Was jedoch zuerst da war, lässt sich schwer belegen, heißt es. Denn möglicherweise beschäftigen sich Menschen mit einer Neigung zu Depressionen auch häufiger mit sozialen Medien als andere. Andere Studien, wie die der Universität von Abu Dhabi von 2019, zeigten auch negative Konsequenzen vom Digital Detox: Teilnehmende berichteten während ihrer Social-Media-Abstinenz von Stress und Einsamkeit. 

Ständig online - Digitale Reizüberflutung

"Wichtig ist, dass wir selber mitbestimmen, wieviel, was, wann und wie lange wir die Zeit mit Medien verbringen", sagt Mediencoach Kristin Langer von der Initiative "Schau hin" der DW. "Und dass wir nicht durch andere Personen und Mechanismen, wie zum Beispiel Push-Nachrichten und Erinnerungen, reingezogen werden. Man darf 'versacken' - aber sollte sich dessen dann auch bewusst sein." 

Welche Auswirkungen soziale Medien auf das eigene Leben haben, sei immer von der Persönlichkeit abhängig, sagt Langer. Während die einen von neuen Netzwerken profitierten, empfinden andere Druck und auch Neid - angesichts anderer User und Userinnen, die es im Leben scheinbar besser haben als man selbst.

Die neue App für mehr Echtheit? 

Könnte "Be Real" Abhilfe schaffen? Die neue App aus Frankreich will mehr Authentizität in die Welt der sozialen Medien bringen. In der App kann man also nichts bearbeiten, keine Filter auf die Fotos legen und nicht mehrmals hintereinander posten. So soll es echte Einblicke in das Leben der User geben, so das Versprechen von "Be real".

Depressiv dank Instagram?

Die App fordert die User per Nachricht dazu auf, innerhalb von zwei Minuten ein Foto zu machen. Wann die Nachricht kommt, weiß man im Vorfeld nicht. Sie kann am Vormittag oder auch spät am Abend auftauchen und richtet sich an alle vernetzten Freunde und Follower. Egal ob man gerade die Wohnung aufräumt oder sich die Fußnägel schneidet - wenn die Aufforderung kommt, soll all das abgelichtet werden. Postet man außerhalb dieses Zeitfensters, wird das Foto von der App als "spät" kommentiert. 

Ganz risikofrei ist jedoch auch diese App nicht, warnt die Initiative "Schau hin". Gerade Jugendliche müssten darauf achten, dass sie in der Eile nicht etwas posten, was ihnen im Nachgang doch unangenehm ist oder wo vielleicht eine weitere Person abgebildet wird, die nicht mit aufs Bild möchte. Hier müsste der rechtliche Charakter stärker betont werden, denn es geht hier um das Recht am eigenen Bild, das man persönlich wahrnimmt. Außerdem können die Benachrichtigung für das tägliche Foto dazu führen, dass Benutzer konstant darauf warten - und sich ihre Medienzeit damit auch nicht signifikant ändert.

Stephanie Höppner Autorin und Redakteurin für Politik und Gesellschaft