Sorgen um die Einheit des Jemen
31. Januar 2018Drei Tage hatten die Kämpfe in Aden gedauert, der provisorischen Hauptstadt des Jemen. Die Kämpfer hatten einander nichts geschenkt: auf der einen Seite die Truppen des international anerkannten jemenitischen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi, auf der anderen die Separatisten des Southern Transitional Council (STC), angeführt von Aidarus al-Zubaidi, dem ehemaligen Gouverneur von Aden. Seit er von Hadi abgesetzt wurde, ist er dessen Intimfeind.
Zubaidis Bewegung konnte in den vergangenen Wochen auf effiziente Hilfe rechnen: Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) hatten sich entschlossen, den STC zu unterstützen. Damit nahm der Konflikt eine Dynamik an, die die Pläne Saudi-Arabiens, seit fast drei Jahren militärisch im Jemen engagiert, massiv zu stören, wenn nicht zunichte zu machen droht. Also entsandte das Königreich Unterhändler in die jemenitische Hafenstadt, die hinter den Kulisse für ein Ende der Kämpfe werben sollten. Fürs erste hatten sie Erfolg: Berichten zufolge haben beide Seiten am Mittwochnachmittag die Waffen vorerst niedergelegt.
Differenzen zwischen Riad und Abu Dhabi
Damit hat Saudi-Arabien eine Gefahr zumindest vorerst abgewendet: Hätten beide Seiten weiter gekämpft, wären aller Wahrscheinlichkeit nach noch mehr Waffen und noch mehr Gelder in das kleine Land an der Südspitze der arabischen Halbinsel geflossen. Die Folge hätte sein können, dass das wichtigstes Kriegsziel des saudischen Königreichs - der Sieg über die aufständischen, dem Iran zumindest nahestehenden Huthis - in noch weitere Ferne gerückt wäre als bislang schon.
In Riad musste man nämlich feststellen, dass die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), eigentlich ein Verbündeter im Jemen-Krieg, von dessen Ausgang durchaus eigene Vorstellungen haben, und die decken sich mit den saudischen nur bedingt. Denn in Abu Dhabi, der Hauptstadt der VAE, sorgt man sich vor allem um zweierlei: zum einen darum, das Bab al-Mandab, die Meerenge am Golf von Aden, zu sichern, und zum zweiten, den Einfluss der Muslimbrüder zu begrenzen. Zu deren jemenitischem Arm, der Islah-Partei, hatte Präsident Hadi zuletzt immer engere Kontakte gepflegt.
Die Interessen der VAE
Zwar entsprechen diese beiden Anliegen grundsätzlich auch den saudischen Interessen, aber die VAE messen ihnen eine noch viel größere Bedeutung zu. Anders als Saudi-Arabien sind sie auf Sicherheit und Stabilität am Golf von Aden zwingend angewiesen. Auf der Ostseite der arabischen Halbinsel gelegen, können die VAE ihre Erdöl- und Gasexporte nach Europa nur durch die Meerenge am Horn von Afrika verschiffen. Saudi-Arabien, das im Westen direkten Zugang zum Roten Meer hat, ist auf dieses maritime Nadelöhr nicht angewiesen.
Auch die Aversion gegen die Muslimbrüder ist in Abu Dhabi noch stärker ausgeprägt als in Saudi-Arabien. Zeigten sich die VAE gegenüber den in den 1970er Jahren als Schullehrern engagierten Muslimbrüdern über lange Jahre zunächst großzügig und tolerant, gingen sie seit den späten 1980er Jahren härter gegen sie vor. Sie fürchteten, deren sozialrevolutionäre Deutung des Islam könne die Fundamente des Staates aushöhlen. Besonders entschlossen geht Mohammed bin Zayed, seit 2004 der Kronprinz von Abu Dhabi, gegen die Muslimbrüder und ihre Anhänger vor. Aus seiner Sicht stellen sie politisch eine existentielle Bedrohung für sein Emirat dar.
Unterhändler unter Druck
Ähnlich sieht es zwar auch die Regierung in Saudi-Arabien. Doch gerade im Jemen sieht sie die Islah-Partei als eine vergleichsweise gemäßigte Kraft. Als solche ist sie aus Sicht Saudi-Arabiens ein Bollwerk gegen gleich zwei Gefahren: zum einen gegen radikale sunnitische Dschihad-Organisationen wie Al-Kaida und den "Islamischen Staat", zum anderen auch gegen schiitische Kräfte wie etwa die Huthis, deren Aufstieg Saudi-Arabien durch die Militärintervention zu verhindern sucht. Diese Intervention kostet das Königreich Schätzungen zufolge nicht nur Tag für Tag rund 60 Millionen US-Dollar. Sie zerstört vor allem den gesamten Jemen, hat bislang über 10.000 Jemeniten das Leben gekostet und Millionen zur Flucht gezwungen.
So standen die saudischen Unterhändler unter erheblichem Druck, den sie womöglich an die beiden Parteien weitergaben. Beiden Seiten dürften die Unterhändler klar gemacht haben, was auf dem Spiel steht: die Einheit des Jemen. Läuft es schlecht, droht das Land in jene Spaltung zurückzufallen, die es 1990 nach Jahrzehnten endlich überwunden hatte.
"Die Sezessionisten des STC könnten in absehbarer Zeit erklären, dass sie die Unabhängigkeit des südlichen Jemen einleiten würden", schreibt der Polit-Analyst Hashem Ahelbarra auf den Online-Seiten von Al-Jazeera. "Wenn das passiert, hätte man zwei Jemen." Der nördliche Landesteil würde dann von den Huthis kontrolliert - ein Albtraum für Saudi-Arabien, das nicht nur die Sicherheit seiner Südgrenze stark gefährdet sähe, sondern im Nordjemen auch zusehen müsste, wie der Einfluss seines Erzrivalen Iran anstiege. Für Riad ist das eine kaum hinnehmbare Vorstellung. Die drei Jahre dauernde Invasion wäre nicht nur vergeblich gewesen, sie hätte sich geradezu als kontraproduktiv erwiesen.
Zweifel an saudischer Außenpolitik
Damit, schreibt die Tageszeitung al-Quds, wäre der außenpolitische Kurs des saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman endgültig gescheitert. "Die absolute politische, militärische und ökonomische Macht, die er so entschlossen anstrebt, ist nicht weniger gefährlich als die Politik, die Saudi-Arabien im Jemen, in Katar, in Syrien, Ägypten und anderen Länder verfolgt. Was innerhalb des Königreichs geschieht, lässt sich von den außenpolitischen Ereignissen nicht trennen. Strategische Fehler im Inneren folgen jenen, die Saudi-Arabien im Äußeren begeht."
Einen ersten Schritt, eine Waffenruhe seiner miteinander verfeindeten Partner, hat Saudi-Arabien erreicht. Jetzt kommt es darauf an, die beiden Kontrahenten dauerhaft miteinander zu versöhnen.