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Sollten Schwangere gegen Corona geimpft werden?

5. Mai 2021

Schwangere gelten als Risikopatientinnen für schwere COVID-Verläufe. Doch beim Impfen dieser Gruppe ist Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern noch zurückhaltend.

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Symbolbild schwangere Frau mit Teddy-Bär
Bild: picture-alliance/dpa/Yo Images/STOCK4B/VisualEyze

Die 35-jährige Anja W. ist in der 25. Schwangerschaftswoche und würde sich grundsätzlich gerne gegen COVID-19 impfen lassen - wenn es denn klare Ansagen gäbe.

Sie ist selber Ärztin und kennt sich mit der Problematik gut aus: "Wenn die Gesellschaft für Gynäkologie und die Ständige Impfkommission eine klare Impfempfehlung für Schwangere aussprechen würde und das Risiko einer Impfung für Schwangere geringer wäre als eine Infektion mit SARS-CoV-2, würde ich mich impfen lassen. Ich beobachte sehr genau, was in anderen Ländern bereits empfohlen wird. In den USA werden Schwangere schon seit Monaten geimpft."

Tatsächlich haben sich neben den USA bereits einige andere Länder wie Großbritannien, Israel und Belgien für eine allgemeine und sogar bevor­zugte Impfung von Schwangeren ausgesprochen.

In Deutschland aber gibt es von der Ständigen Impfkommission (STIKO) noch keine generelle Impfempfehlung für Schwangere und stillende Frauen.

RKI zögert, weil Daten fehlen

Die Ständige Impfkommission (STIKO) beim Robert-Koch-Institut (RKI) hatte sich erst im April gegen eine generelle Impfung von Schwangeren ausgesprochen. Nur "Schwangeren mit Vorerkrankungen und einem daraus resultierenden hohen Risiko für eine schwere COVID-Erkrankung kann in Einzelfällen, nach Nutzen-Risiko-Abwägung und nach ausführlicher Aufklärung eine Impfung angeboten werden." Impfen für Schwangere also nur in Ausnahmefällen und auf eigenes Risiko.

Für eine generelle Empfehlung fehlten laut STIKO schlichtweg genügend valide Daten, weil Schwangere häufig von der Teilnahme an klinischen Studien ausgeschlossen sind. Zwar spricht sich die STIKO nicht grundsätzlich gegen Impfungen für Schwangere oder stillende Mütter aus, sie kann sie nur nicht generell empfehlen.

Nicht empfehlen, aber auch nicht abraten? Für werdende Mütter sind diese vagen Aussagen der STIKO nicht wirklich hilfreich.

Frauenärzte drängen auf schnelle Impfungen

Deshalb machen jetzt Intensivmediziner und gynäkologische Fachgesellschaften Druck. Schließlich hätten Schwangere im Falle einer Corona-Infektion ein deutlich höheres Risiko für einen schweren Verlauf und es gebe inzwischen auch genug verlässliche Daten zur Sicherheit von mRNA-Impfstoffen, argumentiert eine Gruppe von elf gynäkologischen und reproduktionsmedizinischen Fachverbänden.

Symbolbild | Coronavirus & Schwangerschaft | Mundschutz
Eine Schwangerschaft in Zeiten der Pandemie ist eine ganz besondere HerausforderungBild: picture-alliance/dpa/Pixsell/D. Stanin

Ähnlich sieht dies auchStefan Kluge, Direktor des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), weil immer häufiger an COVID-19 erkrankte Schwangere auf den Intensivstationen behandelt werden müssten. Allein in den vergangenen zwei Wochen habe es am UKE fünf solcher Fälle gegeben, so Kluge gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. "Diese Fälle sind besonders dramatisch. Wir sollten in Deutschland unbedingt auch Schwangere impfen."

Häufiger schwere COVID-Verläufe in Schwangerschaft

Dass Schwangere tatsächlich zur "Hochrisikogruppe" gehören, ist seit vergangenem September bekannt. Da wurde eine Übersichtsstudie im British Medical Journal veröffentlicht, in der mehr als 190 Studien zu dem Thema mit fast 68.000 Frauen zusammengefasst wurden.

Die Ergebnisse sind eindeutig: Zwar verläuft die Infektion bei Schwangeren fünfmal häufiger symptomfrei. Gleichzeitig aber ist das Risiko, nach einer Infektion intensivmedizinisch behandelt und künstlich beatmet werden zu müssen, bei werdenden Müttern mehr als doppelt so hoch.

Die Gefahr, an COVID-19 zu sterben, ist mit zwei von 10.000 Infektionsfällen ebenfalls sehr hoch. Vorerkrankungen der Schwangeren wie Diabetes oder Adipositas sowie ein Alter über 35 Jahren steigern das Risiko nochmal. Im Durchschnitt sind Schwangere damit etwa so gefährdet wie die Gruppe der 70- bis 84-jährigen.

Besorgter durch die Schwangerschaft

Wenn Schwangere jetzt als Risikopatienten eingestuft werden, dann sollte ihr Schutz an erster Stelle stehen, meint auch Anja W.. Gerade als berufstätige Medizinerin und Mutter sei sie besonderen Risiken ausgesetzt: "Ich durchlebe diese Schwangerschaft besorgter als meine erste Schwangerschaft. Ich arbeite weiterhin im Krankenhaus und versuche mich - so gut ich kann - vor einer SARS-CoV-2-Infektion zu schützen", sagt sie.

"Ich hätte mir von der Gesellschaft für Gynäkologie und dem RKI klarere Empfehlungen für Schwangere am Arbeitsplatz in Zeiten der Pandemie gewünscht."

 

Coronavirus in Hongkong
Einige Länder haben sich bereits für eine allgemeine und sogar bevor­zugte Impfung von Schwangeren ausgesprochen.Bild: Getty Images/AFP/A. Wallace

Die gynäkologischen Fachgesellschaften verweisen bei ihrer Forderung nach einem zügigen Impfangebot für schwangere und stillende Frauen auf das "V-safe Pregnancy Register" des US-amerikansichen Centers for Disease Control and Prevention (CDC), laut dem es keine Hinweise auf Komplikationen bei der Impfung von Schwangeren gebe. Auch hinsichtlich der Antikörperbildung und Verträglichkeit gebe es keine Bedenken.

Bevorzugt mRNA-Impfstoffe verimpfen

Allerdings komme für Schwangere nicht jeder Impfstoff infrage. Vorrangig sollten Schwangere mit mRNA-basiertem COVID-19-Impfstoff geimpft werden, also mit den Vakzinen von BioNTech/Pfizer und Moderna.

Auch die schwangere Anja W. bevorzugt ganz klar einen mRNA-Impfstoff: "Da Schwangere aufgrund hormoneller Umstellungen per se ein erhöhtes Thromboserisiko haben und ich das Risiko für eine Sinusthrombose minimieren wollen würde, würde ich einen mRNA Impfstoff präferieren."

Schwierige Nutzen-Risiko-Abwägung

Bislang jedoch bekommen viele impfwillige Schwangere keine Impfung, weil Ärzte etwaige Risiken scheuen.

Ob die Angst vor den Folgen einer COVID-19-Erkrankung oder die Sorgen vor den Folgen einer Impfung für Mutter und Kind überwiegen - diese Nutzen-Risiko-Abwägung bleibt letztlich die Schwangeren überlassen.

Anja W. hofft, dass es "bald eine Impfempfehlung für Schwangere geben wird. Nur ist dann im Sommer 2021 mein zweites Kind wahrscheinlich schon auf der Welt."

 

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund