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Adam Kadyrow: Mit 15 auf dem Weg zur Macht in Tschetschenien

30. November 2023

Der 15-jährige Sohn von Ramsan Kadyrow hat schon sieben Orden, den Titel "Held Tschetscheniens" und einen "verantwortungsvollen Posten" im Sicherheitsdienst seines Vaters erhalten. Warum bekommt er solche Aufmerksamkeit?

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Adam Kadyrow, Sohn des Führers Tschetscheniens Ramsan Kadyrow, mit Kopfschutz und Handschuhen im Boxring
Adam Kadyrow, Sohn des tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow, im BoxringBild: Yelena Afonina/TASS/picture alliance/dpa

In nur anderthalb Monaten hat der 15-jährige Adam Kadyrow mehr Auszeichnungen erhalten, als die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben: Er ist "Held der Tschetschenischen Republik", trägt den Orden "Ehre des Vaterlandes" des tschetschenischen Parlaments sowie den Orden "Für Verdienste um die Religion des Islam ersten Grades".

Darüber hinaus wurde er zum Leiter der Sicherheitsabteilung des Oberhaupts der russischen Teilrepublik, also seines Vaters Ramsan Kadyrow, ernannt.

Auch von den islamisch geprägten Nachbarrepubliken Tschetscheniens innerhalb der Russischen Föderation wurde der Teenager mit Auszeichnungen überhäuft: dem Orden "Für Verdienste um die Republik Karatschai-Tscherkessien", dem "Verdienstorden erster Klasse für die Gemeinschaft" der Republik Karatschai-Tscherkessien, dem Orden "Für Verdienste um die Kabardino-Balkarische Republik" sowie einem Verdienstorden der russischen Teilrepublik Tatarstan.

Sie alle sollen, wie bei den Verleihungen betont wurde, den Beitrag von Adam Kadyrow zur "Stärkung des interethnischen und interreligiösen Friedens und der Harmonie" sowie der islamischen Werte würdigen.

All dies geschah, nachdem im Internet ein Video erschienen war, das in Russland für Schlagzeilen sorgte. Darin ist zu sehen, wie Adam Kadyrow einen Häftling in einem Untersuchungsgefängnis der tschetschenischen Hauptstadt Grosny verprügelt.

Bei dem Häftling handelt es sich um Nikita Schurawel, den die tschetschenischen Behörden wegen einer Koranverbrennung verfolgen: Gegen ihn wurde ein Verfahren wegen Beleidigung der Gefühle von Gläubigen eingeleitet. Der 19-jährige Schurawel wurde von der Polizei in seiner Heimatstadt Wolgograd festgenommen und dann tschetschenischen Beamten übergeben.

Treue zu Putin

Ramsan Kadyrow, der seit 2007 Anführer Tschetscheniens ist, gilt als einer der engsten Verbündeten des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Sein Vater Achmat Kadyrow wurde 2000 von Putin zum Oberhaupt der damals abtrünnigen Republik ernannt, nachdem er in beiden Tschetschenienkriegen in den 1990er Jahren die russischen Streitkräfte unterstützt hatte.    

Die Misshandlung von Nikita Schurawel und die Veröffentlichung des Videos passen zu der Strategie, dass ein Nachfolger präsentiert werden soll, meint Nikolay Petrov, Leiter des russischen Zentrums für politisch-geografische Forschung, der derzeit Gastwissenschaftler bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin ist. Er macht darauf aufmerksam, dass das Video am 25. September veröffentlicht wurde, einen Tag bevor Ramsan Kadyrow  vom russischen Präsidenten Wladimir Putin empfangen wurde.

Ramsan Kadyrow steht vor einem Rednerpult, links und rechts stehen Sicherheitskräfte mit der russischen und tschetschenischen Fahne
Ramsan Kadyrow ist seit 2007 Präsident der russischen Teilrepublik TschetschenienBild: Yelena Afonina/TASS/dpa/picture alliance

"Das sieht so aus, als würde Kadyrow einen Nachfolger aufstellen und ihn Putin im Vorfeld vorstellen, worauf er auch noch Zeichen der Anerkennung von Adam als Erben von den islamischen Nachbarrepubliken bekommt", sagt Petrow. Er schließt nicht aus, dass Ramsan Kadyrow austesten will, wie weit er gegenüber Moskau gehen und selbstständig handeln kann.

Der erst 15-jährige Adam Kadyrow ist wegen seines jungen Alters kein idealer Nachfolger, meint Grigorij Schwedow, Chefredakteur von Kawkasskij Usel (Kaukasischer Knoten). Die Website, die unabhängige Nachrichten aus dem Kaukasus publiziert, wurde 2021 von den russischen Behörden auf die "Liste ausländischer Agenten" gesetzt. "In zwei oder drei Jahren kann sich viel ändern, es sind noch drei Jahre bis zu Adams Volljährigkeit", so der Experte.

Die Fülle an Auszeichnungen und die übermäßige Aufmerksamkeit für Adam Kadyrow - was der tschetschenischen Tradition, eigene Kinder nicht zu loben, zuwiderläuft - zeugen nach Ansicht von Schwedow eher von einem psychischen Trauma, unter dem Ramsan Kadyrow leide. Der jetzige Anführer Tschetscheniens wolle auf diese Weise wettmachen, was er von seinem eigenen Vater Achmat, der vor ihm über Tschetschenien herrschte und 2004 bei einem Bombenanschlag getötet wurde, nicht erhalten habe. Schwedow geht davon aus, dass Ramsan Kadyrows Kinder weitere Auszeichnungen erhalten werden, die aber keine große politische Bedeutung haben dürften.

Karte Tschetschenien Grosny DE

Der Experte betont, dass die massenweise Verleihung von Orden seitens der russischen Nachbarrepubliken im Kaukasus und der russischen Teilrepublik Tatarstan ungewöhnlich sei. "Hier ist nicht der Kreml, sondern Ramsan Kadyrows 'Diplomatie' am Werk. Das ist ein ziemlich wichtiges Signal dafür, dass er weit über die Grenzen Tschetscheniens hinausgegangen ist", so Schwedow. Das sei zwar nichts Neues, zeige aber, dass Ramsan Kadyrow sich mittels einer solch aufsehenerregenden Misshandlung hervortun und dafür auch noch Auszeichnungen für seinen Sohn einsammeln könne.

Bereitet Kadyrow einen Nachfolger vor?

Ibragim Jangulbajew, Sohn des ehemaligen Richters am Obersten Gericht Tschetscheniens, Sajdi Jangulbajew, sagt, dass erstmals über Adam Kadyrow gesprochen worden sei, als der im Alter von neun Jahren an einem Turnier für Gemischte Kampfkünste in Grosny teilgenommen habe. Damals sei ihm der Sieg über seinen Gegner aus Nordossetien einfach zuerkannt worden, obwohl "das Gegenteil offensichtlich war". Eigentlich, so Jangulbajew, würden die Regeln dieser Sportart Kämpfe zwischen acht- bis zehnjährigen Kindern gar nicht zulassen.

Solche Siege und eine entsprechende Aufmerksamkeit werden Adam häufiger zuteil als Kadyrows anderen Kindern, sagt Jangulbajew und fügt hinzu: "Nachfolger werden im Voraus und schrittweise vorbereitet. Man muss sich nur Adam Kadyrows Profile in sozialen Netzwerken anschauen, dort wird er wie kein anderer verhätschelt." Laut Jangulbajew hängt im Hauptbüro eines der größten Bauunternehmen in Grosny, das seiner Einschätzung nach vollständig von der Familie Kadyrow kontrolliert wird, ein Foto des Sohnes von Ramsan Kadyrow an der Wand. Ein entsprechendes Video sei auf Instagram zu sehen. "Selbst in Tschetschenien ist es schwer vorstellbar, dass ein Geschäftsmann ein Foto eines fremden Kindes an die Wand hängt", so Jangulbajew. Er glaubt, dass all dies "Attribute eines Vermächtnisses für den künftigen Nachfolger sind".

Unabhängig davon, welches seiner Kinder Ramsan Kadyrow als Nachfolger vorbereitet, hat sein Plan jedoch keine großen Erfolgsaussichten. Davon ist Nikolay Petrov überzeugt. "Es hängt alles davon ab, wer im Kreml sitzt. Ich glaube, dass ein 15-jähriges Kind, das heute einen lebenden, rücksichtslosen und starken Vater hat, leicht als Kronprinz wahrgenommen wird. Aber es ist schwer vorstellbar, dass dieser über genügend Willen und Kraft sowie über eigene Ressourcen verfügen wird, um die Macht zu behalten", so der Experte.

Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk