Sofortiger Freispruch im Fall Yücel abgelehnt
28. Juni 2018Am ersten Tag des Prozesses gegen den "Welt"-Journalisten Deniz Yücel in der Türkei hat der Richter einen sofortigen Freispruch des Angeklagten abgelehnt. Den hatte Yücels Anwalt Veysel Ok gefordert. Die Bedingungen dafür seien unter anderem "wegen der Schwere der Anklage nicht gegeben", führte der Richter am 32. Gericht für Schwere Straftaten im Istanbuler Stadtviertel Caglayan aus. Außerdem müssten erst noch Beweise begutachtet werden.
Yücel selbst ist bei der Verhandlung nicht dabei. Der 44-Jährige war im Februar nach einjähriger Untersuchungshaft entlassen worden und nach Deutschland ausgereist.
Im Februar 2017 hatte sich der Journalist der türkischen Polizei gestellt und war daraufhin ein Jahr lang ohne Anklage inhaftiert worden. Erst am Tag seiner Haftentlassung, für die sich die deutsche Bundesregierung mit Nachdruck eingesetzt hatte, wurde eine Anklageschrift vorgelegt. Sie ist mit drei Seiten ungewöhnlich kurz und stützt sich vor allem auf Artikel des früheren Türkei-Korrespondenten.
Anwalt Ok kritisierte vor Gericht, dass diese zudem "falsch übersetzt" worden seien. Einen Antrag, die Texte als Beweismittel aus der Akte zu entfernen, lehnte der Richter indes ab.
Ok bewertete es aber als Erfolg, dass der Richter einer "Vernehmung am Wohnort" zustimmte und eine mögliche Aussage Yücels in der Türkei somit vom Tisch ist. Der Richter verlangt eine "schriftliche Aussage". Eine Videoaussage, wie sie Ok vorgeschlagen hatte, wollte er nicht akzeptieren.
Die Staatsanwaltschaft wirft Yücel "Terrorpropaganda" und "Volksverhetzung" vor. Nach Angaben von Ok könnte er zu bis zu 18 Jahren Haft verurteilt werden. Nach einer knappen Dreiviertelstunde Verhandlungsdauer vertagte sich das Gericht auf den 20. Dezember.
Im Interview der Deutschen Welle erläuterte Ok, dass es einen sofortigen Freispruch am ersten Verhandlungstag im türkischen Rechtswesen sehr selten gebe. Dennoch habe er gehofft, dass es so weit komme, da der ganze Fall auf rechtswidrigen Beweisstücken basiere.
Zugleich kritisierte er das Verfahren als "politischen Prozess". Yücel sei zu Unrecht für seine Arbeit als Arbeit als Journalist inhaftiert worden.
Ähnlich sieht es die Nichtregierungsorganisation "Reporter ohne Grenzen". Der Fall Yücel sei von der türkischen Regierung "von Anfang an in den Dreck gezogen" worden, erklärte Erol Önderoğlu, der Türkeiberichterstatter der Organisation, im DW-Interview. "Daher könnte man auch ein politisches Ergebnis erwarten". Solange es Fälle wie den von Deniz Yücel gebe, fühlten sich Journalisten bei der Arbeit in der Türkei verunsichert. Daher müsse das Verfahren gegen Yücel schleunigst geschlossen werden. Das sei wichtig für die Rechtstaatlichkeit in der Türkei und für den Journalismus im Land.
Seit dem Putschversuch vor zwei Jahren geht die türkische Führung mit massiven Repressionen gegen Kritiker vor. In der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt die Türkei auf Platz 157 von 180 Ländern. Am Mittwoch war nach 21 Monaten in Untersuchungshaft der bekannte oppositionelle Journalist Mehmet Altan freigelassen worden.
uh/jj (dpa, afp, epd)