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"TV kommt da nicht ran"

Johanna Schmeller4. Februar 2014

Zehn Jahre nach dem Aufkommen von Facebook haben sich die Marketingstrategien großer Unternehmen grundlegend gewandelt - sagt Egon Wilcsek von der Webanalyse-Agentur Socialbakers.

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Egon Wilcsek (Foto: Socialbakers)
Bild: Socialbakers

Deutsche Welle: Herr Wilcsek, Socialbakers wertet die Social-Media-Aktivitäten großer Unternehmen aus. Was hat sich hier in den letzten zehn Jahren getan, und warum ist es vielen Firmen heute so wichtig, in den sozialen Netzwerken präsent zu sein?

Egon Wilcsek: Vor zehn Jahren haben Kunden ihre Produkte im Laden gekauft, sie zu Hause ausprobiert und bei Problemen riefen sie den Kundenservice an. Außer ihnen und den Servicemitarbeitern wusste in der Regel niemand von den Schwierigkeiten.

Diese Zeiten sind vorbei: Heute findet die Kommunikation zwischen Kunden und Anbietern öffentlich statt. Alle "Freunde" oder Follower können sich jederzeit an der Diskussion beteiligen. Der Wettbewerb ist stark, die Auswahl groß und auch das digitale Image einer Marke kann kaufentscheidend sein.

Über Social Media können Unternehmen direkt mit Konsumenten in Verbindung treten und eine markenspezifische Kundengruppe aufbauen, die gezielt für Kampagnen oder Produkttests genutzt werden kann.

Wo liegt der Unterschied zwischen klassischem Marketing und Online-Marketing?

Online-Marketing ist kostengünstiger, zielgerichteter und dialogorientierter als klassische Marketingkanäle. Ziel von Social-Media-Marketing ist nicht nur, die "richtigen" Fans zu finden und ihnen zuzuhören - das kann man auch mit traditionellen Methoden erreichen. Der Schlüssel zum Erfolg ist "Engagement": Kunden sollen motiviert werden, mit Unternehmen und Marken zu kommunizieren.

Infografik zur Antwortgeschwindigkeit von Firmen bei Facebook (Quelle: Socialbakers)
Wer antwortet wie schnell auf Anfragen, Beschwerden, Kommentare bei Facebook?

Welche Rolle spielt Facebook in der modernen Unternehmenskommunikation?

In Deutschland greifen 28 Millionen Menschen mindestens einmal im Monat auf ihr Facebook-Konto zu. Weltweit nutzen mehr als 757 Millionen Menschen Facebook täglich. Diese Reichweite erreicht kein Fernsehsender auf der Welt. Wir glauben, dass Facebook allein aufgrund der Reichweite die beste Plattform für eine globale Marketing-Kampagne ist.

In bestimmten Branchen - etwa in den Medien, der Telekommunikation, im Tourismussektor - kommt auch Twitter eine hohe Bedeutung zu. In unserem Socially-Devoted-Report über das vierte Quartal 2013 haben wir die weltweiten Kundenanfragen über Facebook und Twitter miteinander verglichen. Dabei stellten wir fest, dass fast 60 Prozent aller Anfragen über Twitter gestellt werden, dass aber die Antwortrate auf Facebook um fast 20 Prozent höher ist.

Was heißt das für die Zukunft? Wie haben Facebook und andere Soziale Netzwerke die Unternehmenskommunikation verändert?

Unternehmen können sich heute durch einzigartigen, relevanten Content, der zeitnah über die richtigen Kanäle verteilt wird, von Mitbewerbern differenzieren und in den Dialog mit Kunden treten. Aus unserer Sicht haben wir damit eine neue Entwicklungsstufe im Marketing erreicht: Die Ziele sind gleich geblieben, aber die Kanäle haben sich geändert - und die Kunden bringen sich stärker ein als früher.

Das so genannte "Customer Engagement" geht über den Kauf hinaus: Social-Media-Aktivitäten können das Image von Marken, Produkten und Anbietern steigern und die Kundenbindung stärken. Über Social-Media-Aktivtäten können Unternehmen auch neue Kunden gewinnen - aber vorher sollten Anbieter sicherstellen, dass sie mit den bestehenden Kunden korrekt umgehen.

Infografik zur Anzahl der beantworteten Fragen bei Facebook (Quelle: Socialbakers)
Wer beantwortet die meisten Fragen?

Wie positionieren sich deutsche Unternehmen im internationalen Vergleich?

Socialbakers erstellt für jedes Quartal einen Report über die kundenorientierten Aktivitäten der großen Marken auf Facebook und Twitter, ein Socially-Devoted-Ranking zur Messung der Kundenorientierung von Marken auf Social-Media-Kanälen. Dabei wird ausgewertet, wie schnell und wie häufig auf Kundenanfragen geantwortet wird.

Es ist eigentlich kaum vorstellbar, dass Microsoft mit der Xbox und Sony mit der Playstation im vergangenen Quartal mehr als 100.000 Anfragen von Kunden, die auf Facebook und Twitter gestellt wurden, nicht beantwortet haben. Auch wenn sie die Produkte klasse finden, werden sich Kunden bei dieser Firmenkultur vielleicht irgendwann genervt nach Alternativen umschauen.

Auf Platz eins der deutschen Top-10-"Socially-Devoted"-Marken auf Facebook im vierten Quartal 2013 liegt die Deutsche Bahn: Im Durchschnitt wurden hier 58 Minuten für die Beantwortung von Kundenanfragen gebraucht. Die Beantwortungsquote lag bei knapp 94 Prozent. Auf dem zweiten Platz liegt DHL Paket mit einer Antwortzeit von 921 Minuten und einer Beantwortungsquote von rund 91 Prozent.

Egon Wilcsek ist Senior Regional Director bei Socialbakers für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Socialbakers ist eine Social-Media-Analyse-Plattform, die die Effizienz von Marketing-Maßnahmen einzelner Unternehmen auf Onlineplattformen misst. Die Agentur hat rund 190 Mitarbeitern in zehn Niederlassungen weltweit.

Das Interview führte Johanna Schmeller.